Mobilität

Nachhaltige Mobilität für Kinder

Stellungnahme des Radentscheid Bonn zu aktuellen Themen der Kindermobilität in Bonn – Fokus Schule und Kita

Der Radentscheid Bonn möchte die Verkehrswende gestalten mit dem Ziel einer lebenswerten, kinderfreundlichen und klimagerechten Stadt, in welcher sich alle sicher bewegen können. Über 28.000 Bonner:innen haben unsere Ziele unterschrieben und seit einem Jahr sind wir in monatlichem Austausch mit der Verwaltung der Stadt, damit diese Ziele auch umgesetzt werden. Schulwege (bzw. von Kindern oft genutzte Wege allgemein) und die Verkehrssituation im Umfeld von Bildungseinrichtungen sowie großen Spielplätzen, ist besonders wichtig bei der beschlossenen Umgestaltung zu einer kindergerechten Stadt. Daher möchten wir bezüglich einiger Aspekte, die auch im AK Schule und Mobilität der Stadt Bonn angesprochen wurden, eingehen und Stellung nehmen.

1. Farbe ersetzt keine kinderfreundliche Infrastruktur

Eine qualitativ hochwertige Infrastruktur für den Rad- und Fußverkehr ist für Kinder und ihre Eltern der Hauptmotivator, die meist kurze Entfernung zur Schule/Kita mit dem Rad oder zu Fuß zurückzulegen.  Auch aufgrund unsicherer oder als unsicher empfundener Infrastruktur wird das Auto als Elterntaxi genutzt. Zusätzlich wird häufig versucht, den individuell sichersten Schul- oder Kitaweg zu finden, wobei auch längere Umwege in Kauf genommen werden. Wir möchten diese Vorgehensweise verändern und den möglichst direkten und intuitivsten Weg zur Schule/Kita zu einem sicheren Weg für Rad- und Fußverkehr umgestalten und auf diesem Weg Elterntaxis unnötig machen. Es ist nicht fair, dass Kinder täglich Umwege und Unsicherheiten ertragen müssen, nur damit der Erwachsenenverkehr möglichst ungestört bleibt. Eine alleinige Wegmarkierung der Kinderwege mittels „Gelber Füße“ um z.B. eine vielbefahrene Kreuzung zu meiden, kann deshalb nur eine sinnvolle Ergänzung sein. Sie sollte aber nicht davon ablenken, dass das wichtigere, nachhaltigere und gerechtere Ziel die sichere Umgestaltung der Infrastruktur sein muss. Eine alleinige Markierung ist nicht ausreichend („Farbe ist keine Infrastruktur“).

Schulwege zwischen kooperierenden Schulen (z.B. zwischen EMA und HHG Bonn) sollten im Routennetz, das erstellt wird, berücksichtigt werden. Das vorgestellte Beispiel mit Flyern und einer sicheren Route kann auch Vorbild für andere Schulen sein, erst recht wenn diese externe Sportanlagen (wie Schwimmbäder, Turnhallen, etc.) regelmäßig nutzen.

Wirkliche infrastrukturelle Verbesserungen, die einen direkten sicheren Weg zu Bildungseinrichtungen ermöglichen, sind niveaugleiche Einmündungen, Schutzkreuzungen und breite Rad- und Fußwege. Diese Maßnahmen wurden so mit dem Radentscheid beschlossen . Sie wirken durch ihr Design und nicht durch Reglementierung (Schilder etc.) und stellen damit auch eine nachhaltig wirkende Verbesserung dar.

2. Ausreichend breite Gehwege

Gehwege sind für die Mobilität von Kindern von besonderer Bedeutung. Sie sollten ausreichend breit sein, damit mind. zwei Kinder nebeneinander sicher auf dem Gehweg gehen können. Der Bürgersteig ist sozialer öffentlicher Raum und der Schulweg ist eine wichtige Möglichkeit für Austausch und Kommunikation der Kinder. Gleichzeitig ist der Bürgersteig aber auch der vorgeschriebene Weg für radelnde Kinder bis zum 8. Lebensjahr. Bis zum 10. Lebensjahr dürfen sie und eine begleitende erwachsene Person übrigens weiterhin noch den Gehweg nutzen. Mit dem Radentscheid wurde eine Regelbreite von 2,5 m und eine Mindestbreite der Gehwege von 1,5 m beschlossen. Parken auf dem Gehweg und Falschparkende sind an vielen Stellen Ursache für mangelnde Gehwegbreiten. Im Rahmen der Neuordnung durch die beschlossene Parkraumstrategie fordern wir ausreichende Gehwegbreiten möglichst flächendeckend wiederherzustellen.  Auf den Bereich von Schulwegen muss dabei Priorität gelegt werden.  Um die Gehwegbreiten zu sichern muss Falschparken konsequent geahndet werden.

3. Gute Fahrradabstellanlagen ggf. auch im öffentlichen Raum

An den Schulen sollte eine ausreichende Anzahl guter Fahrradabstellanlagen vorhanden sein. Zusätzlich sollte geprüft werden, ob diese auch zusätzlich im öffentlichen Raum vor der Schule eingerichtet werden können, da dies  weitere Vorteile bieten kann: So können Fahrradabstellanlagen anstelle von KFZ-Parkplätzen auf der Fahrbahn zu besseren Sichtbeziehungen an Einmündungen führen und zusätzlich rangierende KFZ auf Parkplätzen vor einer Schule oder Kita vermeiden.

4. Mobilitätsschulung statt Verkehrserziehung

Radfahren und Zufußgehen sind einfach und sicher, wenn eine sichere vom motorisierten Individualverkehr (MIV) getrennte Infrastruktur vorhanden ist. Das ist leider selten der Fall. Deshalb raten Grundschulen sogar teilweise aus Sicherheitsgründen vom Rad für den Schulweg ab. In der Verkehrserziehung mit der Polizei lernen die Kinder, durch z.T. komplexes und unintuitives  Verhalten diverse Gefahrenstellen zu passieren. Solange die Verkehrssituation für Kinder unsicher ist,  erscheinen solche Ratschläge sinnvoll. Wir fordern stattdessen eine Verkehrssituation, die solche Ratschläge unnötig macht (s. Punkt 1 und 2). Nicht die Kinder müssen sich an die Verkehrssituation anpassen, sondern wir sollten die Verkehrssituation anpassen, sodass alle Kinder gut, selbstständig und sicher mobil sein können.

Wir möchten Kinder und Eltern ermutigen, ohne das Auto zur Schule und Kita zu kommen. Eine angstbesetzte Kommunikation bezüglich des selbständigen Schulwegs zu Fuß oder mit dem Rad führt nur zu Vermeidung. Vermeidung führt zu weniger Kindern im Stadt- und Straßenbild. Dadurch erwarten Autofahrende auch keine Kinder  auf der Straße und das Gefährdungspotential steigt („Safety in numbers“). Der Gewinn für die Kinder, Selbstständigkeit und Selbstwirksamkeit mit einer gesunden Mobilität auf dem Schulweg zu erlangen, ist von ganz besonderem individuellen, aber auch gesellschaftlichen Wert. Wir wünschen uns eine bestärkende Mobilitätserziehung für selbstbewusste Kinder auf allen ihren Wegen. Eine solche Möglichkeit zur positiven Mobilitätserziehung ist der RaBo (Radparcour Bonn)

5. Spaß am Radeln vermitteln

Veränderung wird leichter möglich, wenn man sie ausprobiert! Durch gezielte Aktionen lässt sich bei Schüler:innen ein Anreiz schaffen, mehr Rad zu fahren.

Mit der Kidical Mass, einem bunten Fahrradkorso durch die Stadt, welche wir in den letzten zwei Jahren fünfmal veranstalteten, demonstrieren wir regelmäßig mit mehreren hundert Kindern, für eine kindergerechte Infrastruktur. Die Kidical Mass zeichnet als lebendige, bunte Gruppe ein positives Bild von nachhaltiger Kindermobilität in der Stadt und begeistert oft nicht nur die Kinder, sondern auch Passanten und Zuschauer:innen. Die Kinder dürfen sich ausnahmsweise dort bewegen, wo sonst kein Platz für sie vorgesehen ist. Informationen zur nächsten Kidical Mass veröffentlichen wir jeweils unter unserem Navigationspunkt „Kidical Mass„.

Motivation fürs Fahrradfahren an weiterführenden Schulen kann außerdem die Teilnahme beim „Stadtradeln“ sein. Hier werden über drei Wochen alle geradelten Kilometer gesammelt. Die Verkehrsdaten können zudem von der Stadt genutzt werden um hochfrequentierte Routen zu identifizieren. Einige Schulen stellten im letzten Jahr bereits ein Team. Wir wünschen uns hier eine Teilnahme von möglichst vielen Schulen. Das sollte durch die Schulträger gefördert werden.

6. Tempo 30

Vor Schulen wird in der Regel Tempo 30 angeordnet. Da Schulwege aber mehr sind als der direkte Verkehrsraum vor der Schule, unterstützen wir ausdrücklich die Bemühungen der Stadt Tempo 30 in der Stadt auszudehnen und zur Regelgeschwindigkeit zu machen. Zusätzlich sollte idealerweise eine bauliche Gestaltung des Verkehrsraums niedrige Geschwindigkeiten des MIV bedingen, sowie regelmäßige Geschwindigkeitskontrollen die Sicherheit erhöhen.

7. Schulstraßen statt Hol- und Bringzonen

An Schulen werden Hol- und Bringzonen („Kiss and Ride“) geplant und zum Teil bereits eingerichtet (z.B. Beethovenschule Bad Godesberg). Dadurch soll MIV-Parkverkehr vor der Schule und Halten in zweiter Reihe zum Aussteigenlassen der Kinder vermieden werden. Ein wissenschaftlicher Nachweis für eine Gefährdungsminderung hierdurch, ist uns nicht bekannt. Elterntaxen werden durch diese Maßnahmen nicht vermindert, sondern wenn überhaupt nur verlagert und im schlechtesten Fall sogar motiviert, da das Absetzen der Kinder mit dem KFZ vor der Schule komfortabler wird. Zudem ist die Entfernung von der Schule schwer zu optimieren. Ist die Hol- und Bringzone zu nah an der Schule, vermindert sie keinen Verkehr vor der Schule. Ist sie zu weit weg, wird sie nicht genutzt und die Kinder werden weiter direkt vor der Schule abgesetzt. Wir sehen daher die Einrichtung von Hol- und Bringzonen als kritisch und nicht zielführend. Eine Alternative, die z.B. in Wien und Köln nachweislich Elterntaxis verhindert und nachhaltige selbstständige Mobilität fördert, ist die Einrichtung von Schulstraßen. Hier wird die Straße vor der Schule eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn und zum Unterrichtsschluss am Nachmittag nur für Rad- und Fußverkehr geöffnet. Wir wünschen uns, dass auch in Bonn diese Möglichkeit bei besonders betroffenen Schulen geprüft wird. Gemeinsam mit der Elternschaft und Schulleitung lässt sich dies für wenige Tage ausprobieren und ggf. verstetigen.

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