In diesem Bericht lassen wir Antonius selbst erzählen, was Fahrrad fahren für ihn bedeutet, denn er hat das Down-Syndrom.
Antonius lebt mit seinen Eltern im Münsterland, aber jedes Jahr verbringt er eine Woche in Bonn bei der Familie seines Bruders. Er findet es etwas Besonderes ohne seine Eltern unterwegs zu sein. In Bonn ging er im letzten Sommer mit seinem Bruder oft ins Freibad und machte mehrere Fahrradtouren. Was bedeutet das Fahrradfahren für Antonius und wie ist es für einen Jugendlichen aus dem fahrradfreundlichen Münsterland in Bonn Fahrrad zu fahren? Wir sprachen mit ihm und seinen Eltern.
Hallo Antonius, ich wollte mich mit Dir übers Fahrradfahren unterhalten. Fährst Du gerne Fahrrad?
Ja. Und ich fahr ganz viel Fahrrad.
Was für ein Fahrrad fährst Du?
Ein ganz normales. Ich hatte mal ein Mountainbike, als ich kleiner war. Jetzt fahr ich ein normales.
Fährst Du mit dem Fahrrad auch zur Schule?
Gerade ist keine Schule. Aber vorher jeden Tag. Ich fahr alleine. Ungefähr 3 Kilometer.
Du könntest Dich ja zur Schule auch vom Taxi abholen lassen, warum fährst Du mit dem Rad?
Mit dem Fahrrad macht es mehr Spaß. Und es geht schneller. Das Taxi muss auch andere Schüler abholen.
Fährst Du sonst auch mit dem Rad?
Ich fahre einkaufen mit der Fahrradtasche. Mit meinen Eltern mach ich oft eine Fahrradtour. Das letzte mal 28 km. Zu meinem Onkel fahr ich auch alleine. Das sind 6 km.
Hattest Du schon mal einen Unfall mit dem Fahrrad?
Ich bin mal gestürzt. Einmal auch gegen ein Auto. Aber es ist nichts Schlimmes passiert. Ich gebe nie auf. Ich fahre immer weiter Fahrrad.
Was wünscht du Dir für Radwege? Was ist dabei wichtig für Dich?
In der Schule habe ich einen Fahrradführerschein gemacht. Ich fahre auch auf der Straße. Ich mag aber vor allem Abkürzungen, wo nur Fahrräder fahren. Abkürzungen sind wichtig. Da kann ich schneller fahren.
Wie findest Du Bonn?
Bonn ist richtig gut. Ich mag das Freibad und den Biergarten am Alten Zoll.
Würdest Du auch in Bonn mit dem Fahrrad zur Schule fahren?
Ja, wenn die Schule in der Nähe ist und wenn es Abkürzungen gibt. Sonst ist das in Bonn gefährlich.
Antonius‘ Eltern unterstützen ihren Sohn
Antonius Eltern fahren ebenfalls gerne und häufig mit dem Fahrrad und machen gerne längere Tagestouren durchs Münsterland und die benachbarten Niederlande. Sie freuen sich darüber, dass Antonius so gerne Fahrrad fährt und unterstützen ihn.
Wie kam es dazu, dass Antonius heute so selbstständig mit dem Rad unterwegs ist?
Fahrradfahren ist in unserer Familie und hier im Münsterland eine Selbstverständlichkeit. So hat auch Antonius früh das Radfahren gelernt. Ebenso wie für Kinder, ist auch für viele Menschen mit Behinderungen das Fahrrad ein ganz großes Stück Selbstständigkeit. Das wollen wir natürlich unterstützen. Viele können keinen Autoführerschein machen, aber durchaus gut und sicher Fahrradfahren. Menschen mit Down-Syndrom haben außerdem häufig eine Muskelschwäche. Das Radfahren ist da eine super Möglichkeit zur Bewegung.
Würdet Ihr Antonius auch in Bonn mit dem Fahrrad alleine fahren lassen?
Wir würden es versuchen. Allerdings bräuchte er dafür sichere Wege in Bonn.
Freie Wahl für alle
Die Gestaltung der Straßen-Infrastruktur hat große Auswirkungen darauf, welches Verkehrsmittel die Menschen wählen. Der Radentscheid Bonn setzt sich dafür ein, dass alle Menschen in Bonn die Möglichkeit haben, sich angstfrei und komfortabel auf dem Fahrrad durch die Stadt zu bewegen. Alle Menschen – das bedeutet auch (kleine) Kinder, Menschen mit Beeinträchtigungen, Senioren, oder unerfahrene Radler:innen. Fahrrad fahren soll keine Frage des Fitnesszustands oder Zeichen von Unerschrockenheit sein. Nur dann, wenn Menschen sich im Straßenverkehr auf dem Fahrrad sicher fühlen, gibt es eine echte freie Wahlmöglichkeit der Verkehrsmittel. Leider stellen wir in vielen Gesprächen mit Bonner Bürger:innen fest, dass viele für bestimmte Strecken auf das Fahrrad verzichten, obwohl sie gerne radeln würden – aus Angst, im Straßenverkehr als schwächerer Verkehrsteilnehmer in Unfälle verwickelt zu werden.
Eines unserer Ziele ist daher die kinderfreundliche Stadt: Rad- und Fußwege, die so gestaltet sind, dass Kinder sie sicher benutzen und sich selbständig auf ihnen bewegen können. Das geht nur mit einer Infrastruktur, die menschliche Fehler ausgleicht, weil sie die schwächeren Verkehrsteilnehmer:innen schützt, indem sie die stärkeren zum Achtgeben zwingt. Wir stehen als Gesellschaft vor der Entscheidung, welchen Weg wir zukünftig beschreiten wollen: sollen Menschen wie Antonius die Möglichkeit haben, auch in Bonn selbständig mit dem Fahrrad zur Schule fahren können, oder bleibt das Fahrrad ein Verkehrsmittel für die Jungen, Fitten und Mutigen? Ihr habt die Wahl!
3 Kommentare
Radfahren nicht nur für „Unerschrockene“ trifft es genau!
Wir brauchen eine breite Masse auf dem Rad, so wie in anderen Ländern es auch klappt. Dazu braucht es Initiative und (lokal-) politischen Willen jenseits der mächtigen Autolobby in Politik und Gesellschaft.
Schön geschrieben! Fahrradfahren darf kein Zeichen von Fitness oder Unerschrockenheit sein.
Fahrräder sind auch keine Sport- und Freizeitgeräte, sondern Verkehrsmittel. Bonn hat da noch einen sehr, sehr langen Weg vor sich…
Ein schöner Beitrag! Ich wünsche Antonius weiterhin viele sichere und glückliche Radelkilometer!