Mobilität

Verkehr statt „Stehzeuge“

Am 18.9.20, dem Internationalen Parking Day, wurden auch in diesem Jahr auf der ganzen Welt Parkplätze in Lebensräume umgewidmet um für eine lebenswerte Nutzung des öffentlichen Raumes zu demonstrieren.

Radentscheid testet Kurzparkzone am Internationalen Parking Day

Ein Parkplatz ist etwa 12 qm groß. Das ist größer als manches Kinder- oder Studentenzimmer. Zugeparkt ist dieses große Stück öffentlicher Raum nicht mehr für die Öffentlichkeit nutzbar, sondern verkommt zum privaten Abstellraum. Ein privates KFZ parkt durchschnittlich 23 Stunden pro Tag und innerstädtisch meist im öffentlichen Raum.* Man könnte sagen, es ist mehr ein „Stehzeug“ als ein „Fahrzeug“.

Öffentlicher Raum ist in den dicht besiedelten Städten sehr wertvoll, auch in Bonn. Noch immer wachsen die Städte – in Bonn wohnten vor 20 Jahren noch 287.049 Menschen, in 2020 sind es bereits mehr als 332.000 (Statistikstelle der Bundesstadt Bonn). Bis 2040 prognostiziert die Stadt Bonn ein weiteres Wachstum um etwa 30.000 Menschen. Es wird also noch etwas enger in Bonn. Alle diese Menschen brauchen Wohnraum, wollen mobil sein und sich im Grünen aufhalten. Welche Nutzungsart sollte die Stadt priorisieren – (bezahlbares) Wohnen, Aufenthaltsraum im Freien oder Parken für private Pkw?

Ein parkendes Fahrzeug, das nur eine Stunde am Tag fährt, ist eine höchst ineffiziente Nutzung dieses sehr wertvollen öffentlichen Raumes. Ein Anwohnerparkausweis ist für 2,50 Euro pro Monat erhältlich – weniger als ein Latte Macchiato. Im krassen Gegensatz dazu kosten 12 qm Wohnfläche nach aktuellem Bonner Mietspiegel 172 Euro pro Monat – das entspricht dem 69-fachen.** Der Platz wird also quasi verschenkt. Da ist es nicht verwunderlich, dass von Hausbesitzern Widerstand gegen die Umwandlung von Parkplätzen in z.B. Radwege oder Radabstellanlagen ausgeübt wird, weil sie um die Wertminderung ihrer Immobilie fürchten. Der Wert dieses so billig „erwerbbaren“ öffentlichen Parkplatzes wird als vermeintliches Recht auf „Parkplatz vor dem Haus“ in das Privateigentum, nämlich den Wert des Hauses mit einkalkuliert. Das gleicht einer Privatisierung des öffentlichen Raums. Öffentlicher Raum ist aber Lebensraum für alle und nicht lediglich privater Parkraum.

Auch in Bonn machten daher Initiativen, wie Greenpeace, Parents for Future, BUND, Mehr Demokratie e.V. und viele andere mehr am Parking Day auf den Wert dieses Raumes aufmerksam und verwandelten in der Bonner Altstadt, Nordstadt und Macke-Viertel Parkplätze wieder in echten öffentlichen Raum und füllten ihn mit Leben. Es entstanden Oasen zum Verweilen, Infostände und Mitmachaktionen. Ein Flair von entspannter Betriebsamkeit erfüllte die Straßen Bonns.

Der Radentscheid Bonn nutzte den Parking Day in diesem Jahr ebenfalls, wenn auch auf etwas ungewöhnliche Weise: Wir funktionierten zwei Dauerparkplätze in der Breite Straße für einen Tag in eine Kurzparkzone um, auf der gewerbliche Nutzer wie Lieferdienste, Pflegedienste, sonstige Dienstleistende, aber auch Besuchende für 30 Minuten parken konnten.

„Ein Ziel dieses Verkehrstests ist es, das zwar verbotene, aber häufig tolerierte „Parken in zweiter Reihe“ zu verhindern und so die Fahrradstraße befahrbar zu halten. Wir möchten dem nicht motorisierten Verkehr so ein sicheres und komfortables Vorankommen zu ermöglichen. Gleichzeitig ermöglicht eine solche Maßnahme unnützen Parksuchverkehr zu verhindern und kann dadurch insgesamt den motorisierten Verkehr reduzieren, was die Innenstadt lebenswerter und attraktiver macht. “ erläutert Barbara Krausz, Aktive im Radentscheid Bonn, das Konzept zu der Kurzparkzone.

Auch in Stadtvierteln, die als „autofrei“ bzw. autoarm bezeichnet werden, kann auf motorisierten Verkehr nicht völlig verzichtet werden. Paketanlieferungen, Krankentransporte, Handwerker, häusliche Pflege und selbstverständlich Rettungsdienste können nicht auf spezielle, motorisierte Fahrzeuge verzichten. Für sie ist es insbesondere wichtig, einen Parkplatz ohne langes Suchen zu finden. Lade- oder Kurzparkzonen, die diesen Nutzergruppen regelkonformes Parken ermöglichen, sind daher auch in solchen Stadtvierteln wichtig.

Viele Dienstleister nutzten das Angebot. Der Altstadtbrunnen, welcher sonst häufig von beiden Seiten von parkenden Kraftfahrzeugen eingekeilt wurde und dann nicht mehr in der Sichtachse der Breite Straße erkennbar war, war an diesem Freitag wieder für alle sichtbar.

Nutzer der Kurzparkzone, mit denen wir ins Gespräch kamen, zeigten sich erfreut von dem Konzept. „Das wäre optimal“, sagte dazu ein Zusteller eines bekannten Paketdienstes zu der Frage, ob eine solche Zone dauerhaft eingerichtet werden sollte.

Die Aktion zeigte, dass Infrastrukturmaßnahmen positive und wahrnehmbare Veränderungen im Stadtbild bewirken können und attraktive Angebote vielmehr als Verbote eine Verhaltensänderung ermöglichen. Auch durch solche Anreize kann unserer Forderung nach einer Nutzbarhaltung der Rad-und Gehwege sinnvoll begegnet werden.

* Mobilität in Deutschland, Infas
** ADFC Rückenwind, Immowelt.de

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