Mobilität

Abzocke Anwohnerparken

"Ich fühle mich abgezockt", sagt eine Freundin über das geplante Parkraumkonzept der Stadt Bonn. Parken im öffentlichen Raum in der Bonner Innenstadt ist bereits teurer geworden, zukünftig kommen auch auf Anwohnende in einigen Bonner Stadtteilen höhere Gebühren zu. Ist das Abzocke?

Ab dem 1. März 2023 sollen die Gebühren für das Anwohnerparken in einigen Bonner Stadtteilen auf 15 Euro pro Monat, ein Jahr später dann auf 30 Euro monatlich steigen. Die Stadtteile, in denen das zuerst umgesetzt werden soll, sind der Venusberg, die Nordstadt, die Südstadt und Hochkreuz/Plittersdorf. Mit Zeithorizont 2023-2024 sind Bonn-Zentrum, Beuel-Zentrum, Bad Godesberg-Zentrum, Vilich und Neu-Vilich sowie Ramersdorf-Süd an der Reihe, weitere Stadtteile wie Endenich oder Duisdorf erst in den Jahren 2025-2028.

Zonen Parkraum Bonn

Meine Freundin wohnt in Endennich, wird also erst in einigen Jahren höhere Gebühren für das Anwohnerparken zahlen müssen. Abgezockt fühlt sie sich aber schon jetzt. Woher kommt dieses Gefühl?

Es ist symptomatisch für die Verkehrspolitik in Deutschland, dass ein weitgehend kostenloses (und die bisherigen ca. 30 Euro pro Jahr für einen Anwohnerparkausweis sind von kostenlos nicht sehr weit entfernt) Parken als ein Anrecht von Autobesitzenden verstanden wird. Diese Praxis, verbunden mit niedrigen Parkkosten im öffentlichen Raum und einem sehr geringem Kontrolldruck, haben den Eindruck erweckt, Parken zum Nulltarif sei selbstverständlich. Jede Abweichung von dieser jahrzehntelang eingeübten Praxis empfinden Betroffene nun als Einschränkung ihrer Rechte und ideologisch getriebene Gängelung à la „Autofahren verbieten“. Darin zeigt sich auch die Emotionalität, die mit dieser Debatte verbunden ist, denn eine Gebührenerhöhung und ein Verbot, Auto zu fahren sind dann doch sehr verschiedene Paar Schuhe.

Aus Sicht eines Anwohnenden, der für die gleiche Leistung auf einmal ein Vielfaches bezahlen soll, ist die Empörung im ersten Moment vielleicht nachvollziehbar. Woran es fehlt, ist die Erklärung der Ursachen und eine umfassende, verständliche Kommunikation der Zusammenhänge. Denn weder Bonn noch andere Kommunen in NRW heben die Gebühren für das Anwohnerparken an, um Bürger*innen zu ärgern, sondern um die damit verbundenen Kosten zu decken. Am Rande bemerkt: Bonn ist mitnichten die einzige Stadt, in der Anwohnerparken teurer wird. Köln, Düsseldorf, Münster, Dortmund, Neuss, Brühl sind nur einige Beispiele von NRW-Städten, die höhere Gebühren einführen bzw. dies planen.

In der Vergangenheit waren die Gebühren für das Anwohnerparken gedeckelt auf die Kosten, die beim Ausstellen des Parkausweises entstanden sind. Andere Kosten durften(!) aus rechtlichen Gründen nicht einbezogen werden. Diese Möglichkeit besteht erst seit kurzem aufgrund einer Änderung der gesetzlichen Grundlage. Das Ausstellen des Parkausweises ist dabei noch der geringste Teil der Kosten des Anwohnerparkens aus Sicht der Kommunen. Der deutlich größere Teil der Kosten für die Kommunen besteht darin, die Parkplätze bereitzustellen, d.h. den Straßenraum herzustellen, zu markieren, zu beschildern und instandzuhalten. 

Dass diese Kosten in der Vergangenheit nicht durch Gebühren gedeckt werden konnten, bedeutet gleichzeitig, dass Anwohnerparken bisher subventioniert wurde. Dies ist eine Tatsache, die in der öffentlichen Diskussion zum Thema bisher kaum eine Rolle spielt. Einer Untersuchung zufolge belaufen sich die ungedeckten Kosten des Straßenverkehrs für Kommunen auf durchschnittlich 150 Euro pro Kopf, inklusive derjenigen, die kein Auto haben oder nutzen. (Quelle VCD)

Anwohnerparken im Florentiusgraben

Das subventionierte Parken im öffentlichen Straßenraum kommt zu den Subventionen für motorisierten Verkehr an anderer Stelle hinzu, zum Beispiel der Dieselsubventionen (8,2 Milliarden im Jahr 2018 laut Umweltbundesamt), der Pendlerpauschale (6 Milliarden) und dem Dienstwagenprivileg (3 Milliarden) (Quelle Umweltbundesamt). Die gesellschaftlichen Kosten des Autoverkehrs sind darin noch nicht enthalten. Hier wären als direkte Effekte zum einen Umweltaspekte zu nennen, wie die Kosten durch Luftverschmutzung und daraus resultierende Erkrankungen, Emissionen von Treibhausgasen und der Beitrag des motorisierten Verkehrs zur Klimakrise sowie direkte 

Beeinträchtigungen anderer Verkehrsarten (z.B. zugeparkte Geh- und Radwege) und Unfälle durch motorisierte Fahrzeuge. Zum anderen die indirekten Effekte des motorisierten Verkehrs durch Bewegungsmangel und dessen gesundheitliche Folgen. Wollte man diese Aspekte einbeziehen, wäre ein Anwohnerparkplatz vermutlich unbezahlbar.

Es ist Aufgabe der Stadt und der Medien, den Zusammenhang zwischen den entstehenden Kosten für Kommunen und den Gebühren für Anwohnerparkausweise zu erklären und einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Ohne eine begleitende Kommunikationsstrategie wird die neue Parkraumstrategie kaum auf Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern treffen. Das wäre eine ungünstige Voraussetzung für weitere Maßnahmen, die Bonn zu einer lebenswerten und klimafreundlichen Stadt machen sollen.

geschrieben von Sonja

8 Kommentare

  • Anonymous sagt:

    So wie Sonja kann man das sehen. Aber man kann das auch anders sehen, nämlich dass es eine stastliche Infrastrukturaufgabe ist, für die nötige Verkehrsinfrastruktur zu sorgen. Dazu gehört nicht nur der fließende Verkehr sondern auch der ruhende. Wenn man das so sieht, hat der Staat diese Infrastrukturaufgabe aus den allgemeinen Steuermitteln zu finanzieren.

    • Karry sagt:

      Demnach hat der Staat in gleichem Umfang also Seen und Flüsse bereitzustellen wenn sich immer mehr Menschen ein Boot kaufen? Sowie natürlich entsprechend auch Winterlager. Mir scheint da natürlicher zunächst allen Menschen ihre ureigenste Bewegungsform – das Gehen – überhaupt annähernd so großzügig zu ermöglichen wie es dem Automobil derzeit zugestanden wird. Also auch mal 3 Menschen nebeneinander. In Ruhe. Mit dem größtmöglichen Vorrang. Übersichtlicher besonders für Kinder, Senioren, Menschen mit körperlichen Einschränkungen.

    • Sonja sagt:

      Welche Aufgaben der Staat übernehmen soll, darüber lässt sich sicherlich streiten. Aber so wie auch die Müllentsorgung nicht kostenlos ist, so ist auch hier die Frage, warum der Staat die Leistung kostenlos erbringen sollte.
      In dem Zusammenhang ist interessant, dass man in Japan beim Autokauf nachweisen muss, dass man einen privaten Parkplatz hat, auf dem das Auto stehen kann. Kostenloses Parken im öffentlichen Raum ist dort nicht möglich.

    • Daniel sagt:

      Deiner Logik folgend ist es also auch Aufgabe des Staates, Fahrradfahrenden eine vernünftige Verkehrsinfrastruktur bereitzustellen. Und da der Platz von Hauswand zu Hauswand begrenzt ist, bedeutet das unweigerlich, dass Autos Spuren und/oder Parkplätze abgeben müssen, damit dem Fahrrad gleichberechtigt zum gleichen Recht verholfen werden kann.

  • Herand sagt:

    Also die Stadt sollte auch für mein Pony einen Abstellraum besorgen! Hopp hopp!

  • Nic sagt:

    Ich verstehe die Aufregung nicht, dass Autofahrer, die 30 Euro im JAHR für das Recht in bestimmten Zonen zu parken, diese als Abzocke ansehen. Ich fahre viel und oft Fahrrad und stelle immer wieder fest wie schlecht die Radwege ausgebaut sind. Darüber kann man noch lange diskutieren. Gleichzeitig besitze ich aber auch ein Auto, für das ich Tiefgaragenstellplatzgebühren bezahle, die mich das 18-fach des Geldes kosten. Natürlich ist es ein überdachter Parkplatz, und dem Auto zugewiesener Stellplatz. In einer Stadt in der nicht jeder wirklich ein Auto braucht, sich dennoch eins zu halten empfinde ich als Luxus und dieser Luxus soll den Besitzer etwas kosten. Die Gebühren vom 30 Euro im Jahr empfinde ich als viel zu niedrig und sie sollten um einiges höher sein. Dieses Geld sollte gleichzeitig 1:1 in den Ausbau der Infrastruktur fließen, sowie in Subvention des öffentlichen Nahverkehrs der Stadt.
    Erst dann, werden sich manche überlegen, ob sie sich den Luxus Auto in einer Stadt leisten können und wollen.

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