Ideen / Inspiration

Bitte Platz nehmen – Ein Plädoyer für das Sitzen

Sitzgelegenheiten sind die meistunterschätzte Infrastruktur im öffentlichen Raum. Wer sich jetzt fragt: wieso das denn? ist wahrscheinlich nicht häufig, oder nur auf sehr kurzen Strecken, zu Fuß unterwegs.

Wer sich nur zu Fuß bewegt, um von der Haustür zur Autotür zu gelangen, braucht keine öffentlichen Bänke, denn er oder sie sitzt bereits nach wenigen Metern wieder, möglicherweise sogar auf einem Platz mit Sitzheizung oder in klimatisierter Umgebung. Dort verbleibt er oder sie so lange, bis das Ziel erreicht ist. Der Gegensatz zur Bewegung aus eigener Kraft könnte nicht größer sein.

Wer sich zu Fuß bei unterschiedlichen Wetterbedingungen fortbewegt, ermüdet schneller. Einkäufe zu transportieren ist mühsamer als mit Auto oder Fahrrad, also steigt auch das Bedürfnis nach einer Pause, sich hinzusetzen und auszuruhen, bevor es weitergeht. Manche Menschen benötigen Sitzgelegenheiten entlang des Weges öfter als andere – zum Beispiel Ältere, die nicht mehr gut zu Fuß sind, und Jüngere, die es noch nicht sind, oder Menschen mit Einschränkungen. Alle anderen, die temporär zu keiner der genannten Gruppen gehören, würden sich ebenfalls über öffentliche Sitzbänke freuen, wissen es aber möglicherweise noch nicht. 

Aber nicht nur die anstrengendere Art der Fortbewegung macht den Unterschied, es ist gleichzeitig die Leichtigkeit, mit der Fußgängerinnen und Fußgänger anhalten und wahrnehmen können, was um sie herum passiert. Gehen als langsamste Art der Fortbewegung ermöglicht einen unmittelbaren Kontakt zur Umgebung, zu den kleinen Geräuschen neben dem Verkehrsrauschen, der Pflanze in der Asphaltritze. Anzuhalten – auf einer Bank! – und diese Eindrücke wahrzunehmen ist der eigentliche Luxus unserer Zeit. Ohne Bänke können wir im öffentlichen Raum nur unterwegs sein, gibt es keine bequeme Option, anzuhalten und zu verweilen, einen Ort mit Leben zu füllen. 

Platz auf der Bank

Viele Menschen kennen öffentliche Bänke nur von ausgewiesenen Orten der Naherholung: Parks, Spazierwegen, Spielplätzen, dem Rheinufer. Zu diesen Orten gelangen sie, man ahnt es, eher nicht zu Fuß. Würden sie den Weg zu diesen Naherholungsgebieten gehend zurücklegen, würde ihnen vielleicht etwas auffallen: es gibt keine öffentlichen Bänke in Wohngebieten, also dort, wo Wege oft beginnen oder enden. Auch an Hauptverkehrsstraßen (außer vielleicht an Bushaltestellen) und Supermärkten sind keine Bänke zu finden, weder in Bonn noch in anderen Städten. Nicht einmal in Fußgängerzonen sind öffentliche Bänke selbstverständlich. Und die, die es gibt, sind in keiner Karte verzeichnet, in keinem Reiseführer aufgelistet. 

Nicht einmal der omnipräsente Kartendienst Google Maps, der allein sechs verschiedene Suchkategorien für Automobilität auflistet (Parkplätze, Tankstellen, Ladestationen für E-Fahrzeuge, Autovermietungen, Autowerkstätten, Autowaschanlagen), kennt die Kategorie Sitzbänke. Wo sollten sie auch Platz finden? Auf den Gehwegen ist es schon jetzt zu eng. Parkende Autos, Mülltonnen, Verkehrsschilder: alles, was auf der Fahrbahn stören würde, wird daneben aufgestellt, also auf dem Gehweg.

Bänke sind soziale Orte.

An ihr treffen sich Nachbarinnen und Nachbarn für ein Schwätzchen, ohne anderen „im Weg“ zu sein. Eine Bank ist ein Ziel für den abendlichen Spaziergang, oder als Ort für den Home-Office-Arbeitenden, die oder der in der Mittagspause den eigenen vier Wänden entfliehen möchte. Bänke ermöglichen die Belebung eines Ortes, Menschen halten sich dort auf, statt den öffentlichen Raum eilig zu durchqueren. Wer innerhalb der Stadt attraktive Räume schaffen will, in denen sich Menschen gerne aufhalten, braucht dafür Infrastruktur, die genau dies ermöglicht. Alles, was wir dafür tun müssen, ist Platz zu schaffen. Weniger parkende Autos, mehr Raum für Bänke und daneben einen Baum wäre zumindest ein Anfang.

geschrieben von Sonja

Ein Kommentar

  • Sigi Casper sagt:

    Auch hier ist meines Erachtens die Stadt Wien ein gutes Vorbild, die auf Bänken zum Verweilen einlädt. In Bonn wurden hingegen Bänke öfter abgebaut, zum Beispiel am Kaiserplatz. Es könnten ja sogenannte Stadtstreicher darauf sitzen. Gerade ältere Menschen aber brauchen solche Pausenorte ganz besonders.

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