Umsetzung

Neue Pläne für die Umsetzung des Radentscheids

Auch zwei Jahre nach Annahme des Radentscheids findet sich wenig neue Fahrradinfrastruktur in der Stadt. Die mit dem Radentscheid beschlossenen Ausbauziele sind weit verfehlt worden. Aber wie ist die Perspektive für die nächsten Monate und Jahre? Stehen wir kurz vor dem „Durchbruch“?

In den Gesprächen mit der Stadtverwaltung hörten wir in den letzten beiden Jahren immer wieder einen Grund für den zögerlichen Fortschritt: Fehlendes Fachpersonal. Mit dem Radentscheid hatte man Anfang 2021 auch das Budget für neue Stellen im Stadtplanungs- und im Tiefbauamt beschlossen. Es sollten Planer*innen, Projektkoordinator*innen und Ingenieur*innen eingestellt werden, die sich um die Umsetzung des Radentscheids kümmern. In der Zwischenzeit ist im Stadtplanungsamt ein gutes Team zusammengekommen. Sechs Personen im Radteam planen den Ausbau der Radinfrastruktur. Anders sieht es im Tiefbauamt aus. Dort sind weiterhin die fahrradspezifischen Stellen offen. Nur eine Neubesetzung ist gelungen. Damit allein ist eine Umsetzung des Radentscheids im vorgegebenen Zeitrahmen aber nicht möglich. Daher bedarf es unbedingt einer intensiveren Personalsuche. Dass man in Bonn die Chance hat, einen Radentscheid umzusetzen, könnte Menschen zur Bewerbung motivieren.

Das Radteam im Stadtplanungsamt ist stark motiviert, echte Fortschritte für Radfahrende zu erreichen. Allerdings fehlte bis vor kurzem von Seiten der Verwaltung die angemessene Priorisierung des Radentscheids. So beruhen viele der Maßnahmen, die aktuell umgesetzt werden, auf alten Beschlüssen bzw. auf den Notwendigkeiten einer Straßen- oder Kanalsanierung. In diesen Fällen versucht man immer, Radentscheidstandards zu verwirklichen. Aber wirklich eigenständige Maßnahmen, die die Ausbauziele für Kreuzungen und Einmündungen und die Streckenziele erreichen, gab es bisher zu wenige. Aber wenig ist nicht nichts. Ein paar interessante Sachen sind in der Pipeline:

Die Netzplanung

Die Basis für alle Entscheidungen, wo welche Art Fahrradinfrastruktur gebraucht wird, sollte ein Netzplan sein. Dieser enthält Strecken unterschiedlicher Priorität. Bisher arbeitet die Stadt mit dem über 10 Jahre alten Verkehrsentwicklungsplan. In der Zwischenzeit hat der Radverkehr aber eine andere Bedeutung bekommen. Im Rahmen der Beschlüsse zur Klimaneutralität muss der Anteil des Umweltverbundes am Mobilitätsmix der Bonner*innen viel größer werden. Mit das größte Potential hat dabei die Förderung des Radverkehrs. Sowohl die Verkehrsplanungsgruppe des ADFC wie auch wir vom Radentscheid haben der Stadt einen Vorschlag für ein aktuelles Radnetz aus Haupt- und Nebenrouten vorgelegt.

In der Zwischenzeit hat das Radteam in Zusammenarbeit mit den Stadtteilplanern ein eigenes Netz entwickelt. Parallel dazu wurde ein Planungsbüro beauftragt, die überregionalen Radpendlerrouten in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis zu planen. Die Ergebnisse werden im Frühjahr vorliegen und wir haben die Zusage der Stadt, dass die neue Radverkehrsplanung noch vor dem Sommer in die Beratung in den politischen Ausschüssen und zum Beschluss in den Rat gehen soll. Damit hätten wir endlich Klarheit, wo zukünftig gute Verkehrsverbindungen für Radfahrende ausgebaut werden sollen. Eine wichtige Basis für die Umsetzung des Radentscheids.

Die Fahrradstraßen

Noch aus der Planung aus dem Jahr 2012 für die Fahrradhauptstadt 2020 stammt der Plan, wo in Bonn Nebenstraßen zu Fahrradstraßen umgewidmet werden können, um das Radfahren sicherer und komfortabler zu machen. Bisher wurde nur ein Teil davon umgesetzt und das auch eher schlecht als recht. Einige Fahrradstraßen sind zu eng, oft führt auch motorisierter Durchgangsverkehr über die Strecken und die Fahrradstraßen haben keinen Vorrang. Aus dieser Situation entstand unsere Forderung nach einem neuen Standard für Fahrradstraßen. Mindestens 4,5 m muss die Fahrbahn breit sein, an den Kreuzungen sollten die Radfahrenden Vorrang haben und über Einbahnstraßen bzw. modale Filter (Sperren, die nur von Radfahrenden durchfahren werden können) sollte der MIV-Durchgangsverkehr abgeleitet werden. 

neues Design für Fahrradstraßen in Bonn

Für die nächste Stufe der Umsetzung des Fahrradstraßenkonzeptes ist jetzt eine neue Qualität geplant, die beschlossene Radentscheidziele berücksichtigt. Neben einer deutlichen, durchgehenden Kennzeichnung wird in diesen Straßen partiell der Parkraum reduziert und illegales Parken unterbunden. Dazu sollen Vorfahrtsregelungen geändert und der Durchgangsverkehr reduziert werden. In diesem Jahr soll damit Strecke gemacht werden. Zwischen April und Oktober 2023 sollen 23 km Fahrradstraßen realisiert werden. Wenn das komplett nach unseren Standards gemacht wird, ist es ein echter Fortschritt. Allein, es bleibt ein Rest Skepsis, da die Umsetzung auch noch politisch beschlossen werden muss. Wird die grün-rot-rote Koalition den Weg konsequent weitergehen oder werden doch, wie aktuell beim Straßenzug vor der Bonner Uni, plötzlich andere Parameter wichtiger sein und der Beschluss für den Radentscheid in Frage gestellt werden? Es bleibt leider spannend.

Das innerstädtische Hauptroutenkreuz

Wie schon im zweiten Artikel unserer Serie zum 2. Jahrestag der Annahme des Radentscheids beschrieben, gibt es deutliche Verbesserungen der Situation für Radfahrende auf der Oxfordstraße bis zum alten Friedhof. Nach den Vorstellungen der Oberbürgermeisterin und der Verwaltung ist dies der erste Schritt eines innerstädtischen Fahrradroutenkreuzes. Daher wird aktuell geplant, wie man den Bertha-von-Suttnerplatz als Fortführung der Oxfordstraße für den Radverkehr sicherer machen kann. Im Folgenden will man die Kennedybrücke überdenken. Die Route durch Beuel soll über die St.-Augustiner-Straße bis zum Bröhltalbahnweg und anschließend zum Radweg entlang der B56 verlängert werden. Richtung Westen soll die Route über die Bornheimer Straße und Viktoriabrücke, bzw. durch die verbreiterte Viktoriaunterführung auf der Endenicher Straße und über den Hermann-Wandersleb-Ring weitergeführt werden.

In Nord-Süd-Richtung wird der Umbau der Adenauerallee geplant. Dort soll vom Koblenzer Tor bis zum Bundeskanzlerplatz laut der städtischen Radverkehrsseite eine „gesicherte Radverkehrsanlage“ entstehen. Wir erwarten also geschützte Radfahrstreifen in beide Fahrtrichtungen. Der Umbau soll – so meldete der General-Anzeiger bereits im März 2022 – dieses Jahr beginnen.

Schutzstreifen auf der Adenauerallee

Auch wenn diese Planungen neue Chancen für den Radverkehr beinhalten, diskutieren wir intern immer wieder, ob es wirklich der beste Weg ist, Radwege entlang der Bundesstraßen zu realisieren. Diese viel befahrenen Strecken haben in der Regel viele Ampeln, die die Radfahrenden ausbremsen. Ist dann eine Führung durch Nebenstraßen nicht vielleicht doch günstiger? Wir sind noch zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen. Und wahrscheinlich wird die Wahrheit auch in jedem Einzelfall einer Strecke anders liegen. Also muss man die Führungen vergleichen und abwägen. Kriterium sollte immer die möglichst einfache, sichere und intuitive Nutzung sein. Radrouten, die nur die Vielfahrer kennen und sicher nutzen können, taugen nicht dafür, mehr Menschen aufs Rad zu bekommen.

Weitere Strecken

Weiterhin in der Umsetzung ist der Ausbau der Radpendlerroute nach Bornheim. Hier steht insbesondere noch die Brücke über die Straße Am Probsthof aus. Leider verzögert der Grunderwerb hier die Umsetzung.

Im Bereich des alten Schlachthofes wird eine neue Radverbindung über die Immenburgstraße mit neuer Brücke über die Bahn an der Haltestelle Bonn-West und über die Autobahn geplant. Dabei gibt es endlich mal Planungen, die geschwungene Rampen vorsehen, die auch mit dem Lastenrad oder Kinderanhänger zu bewältigen sind. Das wäre eine wesentliche Verbesserung gegenüber Unterführungen mit 180° Kurven wie etwa am Haltepunkt UN-Campus.

Planung Fahrradbrücke über die Bahn im bereich Bonn-West

Die Umsetzung des Radentscheids

Aktuell arbeitet das Radteam der Stadt auch an unserer dritten Forderung nach einem für Radfahrende sichereren Kreuzungsdesign. Dafür werden die Kreuzungen identifiziert, die dafür ausreichend Platz bieten und im Anschluss sollen erste Umbauten beschlossen werden.

Bezüglich unserer Forderung nach sicheren Einmündungen liegt der Vorschlag für einen Baustandard aktuell im Dezernatsbüro. Wir hoffen, dass die Überprüfung mit allen beteiligen Stakeholdern zu einem guten Ergebnis kommt und wir bald mehr niveaugleiche Kreuzungen sehen werden, die den Radfahrenden und Fußgänger*innen mehr Sicherheit bieten.

Ein Detail in einem Gespräch, das wir mit Herrn Dezernent Wiesner und der Amtsleiterin Frau Denny Anfang Februar geführt haben, hat uns positiv überrascht. Demnach ist geplant, dass nach der Verabschiedung der Netzplanung und des Hauptroutennetzes vom Radteam im Stadtplanungsamt eigenständige Projekte zur Umsetzung des Radentscheids initiiert werden sollen. Damit hoffen wir auf Lückenschlüsse und Ausbauten unabhängig von anderen Bauplanungen. Während bisher vorwiegend bestehende Flächen über Kennzeichnungen umgewidmet werden, würden echte Neu- und Umbauten das Potential haben, den Radverkehr deutlich komfortabler zu machen. Wir denken dabei an die vierte Rheinbrücke für Rad- und Fußverkehr, den Umbau der Industriebahn von Beuel nach Hangelar zum Radweg oder eine attraktive Fahrradroute nach und durch Bad Godesberg. Die Neuplanung des Radwegs in der linksrheinischen Rheinaue steht noch aus. Und in den äußeren Stadtteilen gäbe es viele Verbesserungen, die angegangen werden müssten.

Viele Radfahrende auf dem schmalen Radweg in der Bonner Rheinaue

Neben der Unzufriedenheit über das bisher Erreichte herrscht bei uns ein vorsichtiger Optimismus. Wir sehen bei der Verwaltung den echten Willen, das Radfahren in Bonn deutlich einfacher und sicherer zu machen. Jetzt hoffen wir auf Unterstützung – auf der einen Seite von der Politik und auf der anderen Seite vom Tiefbauamt und der Straßenverkehrsbehörde, die wesentlich an der Umsetzung mitwirken müssen.  

geschrieben von Steffen

4 Kommentare

  • Anke sagt:

    Ich finde den Bertha-von-Suttner-Platz Richtung Kennedybrücke aufgrund der zur Radspur parallelen Bushaltestelle alles andere als sicher!
    Der Bröltalbahnweg ist mit dem Rad eine totale Katastrophe, weil hier viel los ist UND zudem ständig kleine Straßen mit (Auto)verkehr kreuzen.
    Was mich in der letzten Zeit beim Radfahren am meisten nervt, sind vor allem zur Feierabendzeit die ganzen Transporter, die Pakete für Amazon ausliefern und überall mit laufendem Motor (!) auf den Radspuren parken.

    • Steffen sagt:

      Ja, der Bertha-von-Suttner-Platz muss für Radfahrende sicherer gemacht werden.
      Für den Bröltalbahnweg ist geplant, dass er nach der langen Sperrung für den Bahnneubau partiell breiter sein wird. Auch soll er bald an der Rheinaustraße Vorfahrt bekommen. In meinen Augen gehört er zu den komfortableren Radstrecken in Bonn.

  • Christian Jungschmidt sagt:

    Ich würde sagen, wer kein Auto fährt bzw. keine KFZ-Steuer zahlt, der/die/das kann sich mit einer Radsteuer auch ruhig an den Umbauten und Ausbauten seiner von ihm/ihr genutzten Radwege beteiligen. Nicht nur über Autofahrer schimpfen und sich das aber alles schön bezahlen lassen, gelle?!

    Im Übrigen ist die Aggressivität der/die/das Radfahrer extrem angestiegen, und er/sie/es meinen – genau wie die Klimakleber – mit allem rechts im Recht zu sein und sich auch daher alles erlauben zu dürfen. Ach ja, besonders 1,50 m Abstand erwarten, aber selbst nur mit 2 Zentimetern an einem vorbeifahren (können), Heuchler.

    • Steffen sagt:

      Es ist mir schwergefallen, diesen Kommentar freizuschalten. Wir sind offen für eine kontroverse Diskussion, wollen aber keinen Hass und möglichst wenig Polemik auf unserer Seite. Ihre Verallgemeinerungen, Vergleiche und die Bezeichnung als „Heuchler“ sind in meine Augen grenzwertig. Ich bitte Sie um mehr Sachlichkeit und Respekt in zukünftigen Beiträgen.

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