Dabei fußt der Bönnsche Mobilitätswandel auf sehr rationalen Überlegungen, wurde und wird lebhaft in der Stadtgemeinschaft, der Verwaltung und der Politik diskutiert, ist durch zahlreiche Beschlüsse mit einer breiten Mehrheit demokratisch entschieden worden und wurde als Grundsatzbeschluss auch schon lange vor der letzten Kommunalwahl noch unter ganz anderen Mehrheiten im Stadtrat beschlossen.
Konsequente Verkehrswende ist vernünftig
Die unabdingbare Notwendigkeit einer Verkehrswende ist inzwischen in der Breite der Gesellschaft starker Konsens. Die Gründe sind hinreichend bekannt. Da es sich bei dem Ziel der Verkehrswende, nämlich der lebenswerten, klimagerechten Stadt um ein erstrebenswertes Ziel für ganz Bonn handelt, ist es in hohem Maße vernünftig dieses Ziel schnell zu erreichen und daher konsequent und zügig an der Verkehrswende zu arbeiten. Zusätzlich drängt uns die Klimakatastrophe zu sofortigen Maßnahmen. Jedes Festklammern am Status quo ist vor diesem Hintergrund weder zur Erreichung des Ziels noch zur Vermeidung der Katastrophe eine sinnvolle Strategie.
Trotzdem taucht in quasi jeder Diskussion um Maßnahmen, die den motorisierten Individualverkehr einschränken könnten, irgendwann der Ideologie-Vorwurf auf und auch die Kampagne „Vorfahrt Vernunft“ fordert einen „ideologiefreien Dialog“. Dabei kann bekanntermaßen ein politischer
Diskurs, bei dem es um die zukünftige Gestaltung unserer Stadt geht, ohne Weltanschauungen und Werte, die der eigenen Idee von einer wünschenswerten Welt zugrunde liegen, gar nicht stattfinden. Verschwiegen wird auch meist, dass natürlich auch Konservatismus und Liberalismus Ideologien sind und zwar sehr verbreitete. Das konservative Bremsen von Veränderungen, einfach weil man Veränderungen im Status quo nicht mag, ist zutiefst ideologisch („Es ist eine sehr ideologische Vorstellung, sich selbst als ideologie-frei zu bezeichnen“ (krautreporter.de) ). Die unsachlichen Ideologievorwürfe sind daher sinnlos, behindern einen Dialog und spalten.
Konsequente Verkehrswende ist von den Bonner:innen gewollt
In der General-Anzeiger-Umfrage von Oktober 2022 („Der Große Heimatcheck“) gaben mehr als zwei Drittel der Bonner:innen an, dass sie eine Verkehrswende mit einer Reduzierung des Autoverkehrs als wichtig oder sehr wichtig ansehen.
Das Bürgerbegehren Radentscheid Bonn wurde von über 28 000 Bonner:innen unterschrieben und fordert in seinen klar bezifferten Maßnahmen zur Rad- und Fußverkehrsförderung weitaus ambitioniertere Ziele, als die Stadt Bonn in den letzten 2,5 Jahren seit Beschluss des Radentscheids erfüllen konnte. Diese 28 000 Unterschriften haben wir gesammelt, indem wir auf die Straße gegangen und mit diesen vielen Bonner:innen ins Gespräch gekommen sind, viel diskutiert und viel Zustimmung erhalten haben. Der Radentscheid Bonn gibt gemeinsam mit dem ADFC und den vielen Klimagruppen in Bonn diesen vielen Bonner:innen, die nicht nur eine Verkehrswende, sondern eine beschleunigte Verkehrswende in Bonn wollen, eine Stimme. So haben wir bei mehreren politischen Beschlüssen in den letzten Monaten und Jahren, wie zur Ausgestaltung des Umbaus „Am Hof“ („Uni meets City“), zur Umgestaltung der Kölnstraße, sowie bei dem Beschluss zu den Fahrradstraßen auch klar Kritik an der aktuellen Politik der Ratskoalition geübt und deutlich mehr Verbesserungen für den Rad- und Fußverkehr gemäß dem Beschluss zum Radentscheid gefordert.
Nur weil aktuell die Wirtschaftsverbände eine groß angelegte Kampagne mit Ausgaben im 6-stelligen Bereich gegen eine echte Verkehrswende fahren, heißt das also noch lange nicht, dass sie damit die Meinung einer Mehrheit vertritt. Ganz im Gegenteil: sie setzen sich für den Erhalt von Privilegien einer Minderheit gegen den Willen der meisten Bürger:innen Bonns ein. Für einen echten Dialog müssen sich die Wirtschaftsverbände ehrlich machen und klar aufzeigen, dass sie ihre Eigeninteressen vertreten und nicht die der Stadtgemeinschaft. Zur Ehrlichkeit gehört auch, dass sie ihre Ablehnung einer wirklichen Verkehrswende nicht hinter „Ja zur Verkehrswende, aber …“ verstecken. Eine echte Verkehrswende und zwar ohne „aber“ ist von sehr vielen Bonner:innen gewollt, von vielen sogar noch viel konsequenter als es aktuell passiert.
Konsequente Verkehrswende ist gewählt und demokratisch legitimiert
Das wichtigste Thema bei der Kommunalwahl 2020 war der Bonner Verkehr. Alle Parteien positionierten sich zu diesem Thema und sowohl Grüne, SPD, Linke und Volt, als auch die CDU unterstützen im Wahlkampf das Bürgerbegehren Radentscheid Bonn. Insbesondere von den Parteien der aktuellen Ratskoalition Grüne, SPD, Linke, Volt wurde aktiv für eine konsequente Verkehrswende geworben. Niemand hat also aus Versehen die Verkehrswende gewählt. Der Mobilitätswandel hat eine demokratisch legitimierte Mehrheit im Stadtrat.
Der Radentscheid, mit seinen Forderungen für eine sehr konsequente Verkehrswende durch Verbesserungen für den Fuß- und Radverkehr, wurde im Februar 2021 im Hauptausschuss mit den Stimmen von CDU, Grüne, SPD, Linke, Volt mit großer Mehrheit von über 80% beschlossen. Der Radentscheid Bonn ist als Mittel der direkten Demokratie das bezogen auf die Anzahl der Unterschriften erfolgreichste Bürgerbegehren in Bonn. Auch der beschlossene Klimaplan der Stadt Bonn fordert eine sehr konsequente Verkehrswende und ganz konkret die Umsetzung der Ziele des Radentscheids. Der Versuch der Kampagne diese im demokratischen Prozess erarbeiteten Beschlüsse zu delegitimieren, indem man sie als „undurchdacht“, „ohne Dialog“ und „ideologisch“ darstellt, ist plumper Populismus und wird in einer so politischen Stadt wie Bonn nicht erfolgreich sein.
Immer wieder wird der Vorwurf geäußert, dass die Bürger:innen an der Verkehrswende nicht beteiligt und nicht „mitgenommen“ werden. Schauen wir uns aber die Stabsstelle Bürgerbeteiligung der Stadt Bonn an, zeigt sich dort eine deutliche Aufwertung des Anliegens der Bürgerbeteiligung durch deutliche personelle Aufstockung, niederschwellige Beteiligungsformate und Flankierung aller großen Verkehrswende-Projekte mit Methoden der Bürgerbeteiligung (siehe „Bönnsche Viertel“, „Bonn for Future“ „Rheinufer“ „Friedrich-Breuer-Straße“ …). Auch wenn Kritik an der Kommunikation der Stadt Bonn berechtigt sein mag, die Stadt Bonn kann durchaus für sich in Anspruch nehmen, dass es noch nie soviel Bürgerbeteiligung und so viele Maßnahmen zur „Mitnahme“ der Bürger:innen gab, wie aktuell.
Konsequente Bönnsche Verkehrswende ist also in keiner Weise eine Politik über die Köpfe der Bürger:innen hinweg, sondern von den Köpfen der Bürgerinnen so gewählt und gefordert und wird mit der Partizipation der Bürger:innen gestaltet.
geschrieben von Dominik
5 Kommentare
Danke für diese wunderbare Zusammenfassung. Werde ich verbreiten.
Ich habe den Radentscheid unterschrieben, bereue es aber mittlerweile.
Die General-Anzeiger-Umfrage ist hinter einer paywall, so dass man nicht nachvollziehen kann wie dieser Zustimmungswert zustande kam.
Autofahrer, die sich nicht an Verkehrsregeln halten, werden konsequent sanktioniert bis hin zum Verlust ihrer Fahrerlaubnis. Das große Manko der Verkehrswende zeigt sich jetzt schon deutlich. Für Fußgänger und Radfahrer verschlechtert sich die Sicherheit. Radfahrer, die rote Ampeln überfahren, bei Rot auf den Bürgersteig wechseln und Einbahn-Radwege gegen die Fahrtrichtung benutzen, durch die Fußgängerzone und / oder auf Radwegen rücksichtslos rasen, haben nichts zu befürchten. Sie pöbeln und machen einfach weiter. Viele scheinen auch gar kein Bewusstsein dafür zu haben, dass sie sich ordnungswidrig verhalten und andere gefährden. Ein Kfz fährt nur, wer die Straßenverkehrsordnung weitestgehend beherrscht und nicht lange, wenn er / sie sich nicht an die Regeln hält.
Ob Radfahrende, Fußgänger*innen oder Autofahrer*innen – es sind alles die gleichen Menschen. Keine Gruppe ist besser oder schlechter. Rücksichtslose, Chaoten und Raser gibt es überall. Und die Verkehrsüberwachung findet nur an wenigen Stellen statt. Das gilt für Parkverstöße und Geschwindigkeitsüberschreitungen von Autofahrenden und eben auch für Rotlichtverstößen von Radfahrenden. Aber – und deshalb hat sich die Unterschrift beim Radentscheid vielleicht doch gelohnt – bessere Radwege und die Trennung von Auto-, Rad- und Fußverkehr reduzieren die Konfliktpunkte. Und wo es weniger eng ist, werden Menschen auch wieder lässiger.
Was oft falsch eingeschätzt wird: Regelmäßig und auf Dauer fahren nur die Menschen Rad, die sehr aufmerksam und vorausschauend fahren, denn ein Fehler im Verkehr trifft den Radfahrenden sehr viel heftiger als den Autofahrenden.
Ich bin seit fast 62 Jahren Bonner Bürger und noch nie gab es so viel Stau in Bonn durch die Verkehrspolitik verursacht. Ich stehe im Stau und brauche für 7 Kilometer zur Arbeit 30 Minuten mit dem Auto und wenn es schlecht läuft auch länger. Während mit mir 100 Autos auf einer Straße vor der Ampel im Stau stehen fahren bis ich es nach 15 Minuten geschafft habe die Ampel zu passieren 3 bis 5 Radfahrer auf einer für Sie eingerichteten ganzen Fahrspur an mir vorbei im Winter sind es wenn überhaupt 1 bis 2. Ja sicher ich kann auch mit dem Bus und einmal umsteigen auf die Bahn zur Arbeit fahren das dauert aber noch länger. Bevor die ganzen Fahrradspuren und Straßen eingerichtet wurden bin ich im Schnitt in 10 bis 12 Minuten auf der Arbeit gewesen. Das kann für die Umwelt nicht gut sein wenn der Autoverkehr durch lange Fahrzeiten länger Abgase produziert. Für private Fahrten zum Schoppen oder Essen gehen meide ich die Innenstadt und weiche auf das Umland aus wo ich schneller ankomme und umsonst parken kann, oder bestelle im Internet, genauso halte ich es auch mit Handwerkern, Ärzten oder Firmen die in der Innenstadt ansässig sind, ich meide alles was in der Innenstadt liegt. Ich möchte in meinem Alter auch kein völlig überteuertes Lastenrad kaufen um nach erfolgreichen Einkaufen und essen gehen in der Innenstadt dann den Venusberg rauf radeln zu müssen. Das hat mit Lebensqualität nichts mehr zu tun was in Bonn passiert. Ich habe keine Lebenszeit mehr zu verschwenden und wenn das noch schlimmer wird muss ich wohl Bonn verlassen.
Wir verstehen den Frust über die Staus in der Stadt. Da wir aber nicht beliebig neue Straßen und Fahrspuren bauen können, ist unser Lösungsansatz, mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, statt des Autos das Fahrrad zu nutzen. Damit Sie, wenn Sie altersbedingt auf das Auto angewiesen sind, wieder besser durchkommen.
Wir haben am Mittwoch dieser Woche (der erste trockene Tag, aber noch kein richtiger Sommertag) im Schnitt 160 Radfahrende pro Stunden auf der Adenauerallee gezählt. Sie sollten also in einer Viertelstunde 40 Menschen auf dem Rad beobachten können.
An fünf Stellen sind in den letzten drei Jahren Autospuren umgewidmet worden: Auf der Oxfordstraße, der Viktoriabrücke und der Adenauerallee, um das Radfahren sicherer zu machen, auf dem Wanderslebring, um den Busverkehr zu beschleunigen und am Rheinufer, um die Uferpromenade zu verschönern. Der Grund für den Stau liegt also nicht vorwiegend an den neuen Radspuren sondern an verschiedenen Entscheidungen zu Verkehr und Stadtgestaltung und vor allem an einer über Jahrzehnte gewachsenen Anzahl von Autos und Lkws, die Bonn – wie viele andere Großstädte – ans Limit des Möglichen bringen.