Umsetzung

Warum wir mit dieser politischen Entscheidung nicht zufrieden sein können

Die Entscheidung im Bonner Stadtrat zum Projekt „Uni trifft City“ ist gegen die mobilitätspolitisch sinnvolle und klimafreundliche Variante gefallen. Wir sehen darin ein Beispiel der Inkonsequenz der politisch Handelnden. Sie verspielen damit Vertrauen, erschweren die Lösung der dringenden Probleme, die vor uns liegen, und nehmen uns Wählenden den Optimismus.

Zugegeben, der Anleser dieses Artikels ist etwas zugespitzt. Aber das, was es zu sagen gilt, ist uns sehr wichtig.

Wie in unseren Artikeln auf dieser Webseite an mehreren Stellen nachzulesen ist, gibt es bei der Umgestaltung des Straßenzugs zwischen Uni-Hauptgebäude und Fußgängerzone einen Konflikt. Es bestehen unterschiedliche Gestaltungswünsche und es werden verschiedene Entscheidungskriterien herangezogen. Fußgänger*innen sollen eine erweiterte Fußgängerzone bekommen, und sie soll barrierefrei und niveaugleich sein. Die städtebauliche Qualität soll verbessert werden, und es soll mehr Grün in der Straße geben. Der Durchgangsverkehr soll reduziert werden, was aktuell nicht funktioniert, weil das Durchfahrtsverbot mit der Erweiterung „Anlieger frei“ nicht zu überprüfen ist. Die unberechtigte Einfahrt in eine Fußgängerzone könnte man besser ahnden. 

Die Grüne Fraktion freut sich auf eine attraktive Umgestaltung und schreibt uns in einer Antwort auf unseren offenen Brief: „Diese laute und ungemütliche Verkehrsachse wird weiter beruhigt, attraktiv umgestaltet, mit Bäumen bepflanzt  und erlaubt ein städtebauliches und erlebbares Zusammenwachsen der Fußgängerzone mit Universitätshauptgebäude, also dem historischen Kurfürstlichen Schloss und Hofgarten, und in einem weiteren Schritt mit Kaiserplatz und Poppelsdorfer Allee sowie dem Rheinufer, dessen Attraktivität wir in den nächsten Jahren ebenso weiter erhöhen werden.“ Ja, das klingt gut, und trotzdem zeigt es in unseren Augen, dass die Prioritäten falsch liegen.

Eine unserer größten Herausforderungen ist es, die Klimakrise zu bewältigen, möglichst schnell die Klimaneutralität zu erreichen und in diesem Zusammenhang auch, unsere Mobilität zu verändern. Dafür hat der Bonner Stadtrat in den letzten Jahren mehrere Grundsatzbeschlüsse gefasst. Bis 2035 soll Bonn klimaneutral sein. Die Fahrradinfrastruktur soll zügig verbessert werden und auf den Hauptachsen sollen getrennte Fahrradwege ein sicheres, intuitives und komfortables Radfahren ermöglichen. Das sind Beschlüsse, die von fast allen Fraktionen mitgetragen wurden. Für Die Grünen sind Mobilitätswende und Umweltschutz Kernziele ihrer Politik. Und nebenbei: Auch die Planungsvariante mit Zwei-Richtungs-Radweg und getrennter Busspur ließe sich attraktiv und begrünt gestalten.

Wir wissen, dass Politik auch Kompromisse machen muss. Aber sie braucht eben auch das Wissen um Prioritäten und Unverhandelbares. Wir haben kein Verständnis dafür, warum die Mehrheit des Stadtrates, getragen von den Stimmen der Grünen, der SPD, der Linken und von Rheingrün einen Beschluss fasst, in dem der Busverkehr ausgebremst und verlegt werden soll. Mangels Alternativen wird das Umwege und längere Fahrzeiten bedeuten. Ist nicht eine Grundbedingung für das Gelingen der Mobilitätswende und deren Akzeptanz durch die Bürger*innen, dass ein attraktiver ÖPNV zur Verfügung steht? 

Es macht uns fassungslos, dass der Grünen-Abgeordnete Rolf Beu in der Diskussion in der Bezirksvertretung den 3 Meter breiten Radweg für zwei Fahrtrichtungen als „Fahrradautobahn“ tituliert. Soll damit ein Bild von rücksichtslosen Fahrradrasern geschürt werden? Es geht beim Radentscheid doch darum, dass auch junge Schüler*innen und wenig geübte Radfahrende sicher durch die Stadt fahren können. Wir dachten, mit der Annahme des Radentscheids wäre diese Diskussion nicht mehr nötig. Wie wichtig sichere und durchgängige Fahrradrouten sind, damit sich die Menschen trauen, auch außerhalb der Freizeit mit dem Rad zu fahren, sollte eigentlich klar sein.

Aber wir wollen nicht nur eine Seite kritisieren. Auch die CDU hat dem Radentscheid zugestimmt. Warum stellt man sich nicht hinter die Planungsvariante, die der Umsetzung des Radentscheids am nächsten kommt. Stattdessen versuchte die CDU eine Vertagung der Entscheidung zu erreichen. Wieviel Zeit haben wir noch, uns alles reiflich zu überlegen, bis wir uns trauen, konsequent unsere wichtigsten Probleme anzugehen?

Deswegen können wir nach dieser Entscheidung nicht einfach eine Niederlage für den Radentscheid einstecken und schweigen. Denn hier zeigt sich ein aktuell viel zu oft zu beobachtendes Verhalten der Politik. Es scheint nicht klar zu sein, was wirklich wichtig ist und was keinen Aufschub mehr verträgt. Viele Bürger*innen wünschen sich eine konsequente Handlungslinie, die Hoffnung macht, dass wir das Schlimmste noch verhindern werden. Aber man bekommt immer wieder den Eindruck, dass es in Deutschland weiterhin keine politische Mehrheit für aktiven und zielführenden Klimaschutz gibt. Eigentlich müsste die Richtung klar sein. Und doch werden immer wieder Entscheidungen getroffen, die auf den entgegengesetzten Weg führen. Das fängt im Kleinen an: In einer Straße, in der man von seiner politischen Leitlinie abweicht, unnötigerweise den ÖPNV ausbremst und Radfahrende und Busse auf eine schmale Spur zusammendrängt. Nach unserer Einschätzung wurden hier zwei wichtige Grundsatzbeschlüsse des Bonner Stadtrats ausgeblendet. Und wir verstehen nicht, wie das passieren konnte.

geschrieben von Steffen

6 Kommentare

  • annette.quaedvlieg@googlemail.com sagt:

    ein sehr guter Artikel, lieber Steffen, danke!!!!

  • Sébastien sagt:

    Mir ist es ein Rätzel, weshalb der Rat Angst vor der eigenen Courage hat. Gerade an dieser Stelle hätte man zeigen können, wie Vorteilhaft ein getrenter Zweirichtungsweg für den Radverkehr gerade auch für Fußgänger:innen und den ÖPNV ist.

  • Karin Langer sagt:

    Ich bedaure, dass es uns als Volt -Fraktion nicht gelungen ist, unsere eigene Koalition von den Vorteilen der Variante mit einem Zweirichtungsradweg zu überzeugen. An mangelnder Kompromissbereitschaft unsererseits lag es sicher nicht. Vielleicht hatten wir nie eine Chance, aber es ist trotzdem enttäuschend, dass persönliche Befindlichkeiten letztlich mehr zählen als die Förderung der umweltfreundlichen und sozialverträglichen Mobilität.

  • Frank sagt:

    Danke Radentscheid,
    da habt Ihr eine sehr zutreffende Darstellung und berechtigte Kritik.

  • Moses D. sagt:

    Schade, dass dieser Artikel nötig war. Vom Ton finde ich ihn deutlich, aber angemessen. Diese Entscheidung wird der Rats-Koalition meines Erachtens noch mehrmals und schmerzhaft auf die Füße fallen.

    Aber vorallem für den Bonner ÖPNV-Nutzer, meinen radfahrenden Sohn sowie unsichere RadfahrerInnen ist es traurig, dass die Politik nicht allen eine getrennte Wegeführung zuspricht. Die Vorteile des Beschlusses sind für mich nicht ersichtlich.

  • Klare Worte, denen ich in vollem Umfang zustimme. Hier eine falsche Entscheidung getroffen worden, die die Situation verschlechtert.
    Gute Lösungen gibt es, wir müssten sie nur kopieren. Beispielsweise das mit Bonn vergleichbare Utrecht zeigt dies.
    Am meisten erschüttert mich jedoch die mobilitätspolitische Inkompetenz, die sich in dieser Entscheidung zeigt.

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