Bonn hat gewählt und das Ergebnis ist eine Veränderung der politischen Situation. Auch wenn aufgrund des nicht klar in eine politische Richtung gehenden Wahlergebnisses noch nicht absehbar ist, wie im neuen Bonner Stadtrat künftig politische Mehrheiten gebildet werden, so scheint aufgrund des Wechsels an der Verwaltungsspitze doch klar, dass es progressive Verkehrsthemen in Bonn künftig schwerer haben werden als bisher. Diesen Eindruck muss man zumindest gewinnen, wenn man sich das Wahlprogramm der CDU durchliest und die Äußerungen von Guido Déus im Wahlkampf anhört.
Die Zunahme des Radverkehrs geht nicht mehr weg
Basis politischen Handelns sollte immer die Realität sein: Der Radverkehr in Bonn hat in den letzten Jahren stark zugenommen! Von 2017 bis 2023 stieg der Anteil des Radverkehrs am Modal Split von 15% auf 21%. Das ist ein Zuwachs um 40%. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass sich dieser Trend wieder umkehren wird. In vielen Städten in Deutschland und weltweit nimmt der Anteil des Radverkehrs seit Jahren zu. Fahrradfahren boomt!
Insofern muss auch die Radinfrastruktur weiter ausgebaut werden. In den letzten Jahren hat sich zwar bereits einiges getan. Dem oben genannten Zuwachs wird die aktuelle Bonner Radinfrastruktur aber nach wie vor nicht gerecht. Ein durchgehendes Netz an sicherer Radinfrastruktur, das alle Stadtteile miteinander verbindet, fehlt nach wie vor. Die Ziele des Radentscheids – dem auch die CDU zugestimmt hat – sind bei weitem nicht erreicht. Die Umsetzung muss daher weiter gehen.
Wir appellieren an die Bonner Parteien, in der neuen Wahlperiode die Radverkehrsinfrastruktur weiter auszubauen. Die Bonner Stauprobleme lassen sich nicht durch noch mehr Autoverkehr lösen, sondern durch Verlagerung von Autoverkehr auf effizientere Alternativen wie ÖPNV, Rad- und Fußverkehr. In diesem Punkt ist sich die Verkehrsforschung seit Jahrzehnten einig.
Dazu braucht es attraktive Infrastruktur für diese Alternativen. In Bonn sind trotz erster Schritte in der letzten Wahlperiode nach wie vor viele Gehwege durch parkende Autos für Fußgänger praktisch unbenutzbar. Viele Radwege enden im Nichts oder sind aufgrund der unsicheren Verkehrsplanung (Bsp. Bertha-von-Suttner-Platz) nur durch besonders mutige Radler benutzbar. Abstellmöglichkeiten für Fahrräder sind in den meisten Bonner Straßen und insbesondere am Hauptbahnhof nach wie vor Mangelware. Große Kreuzungen, die auch für Radfahrer sicher gestaltet sind, gibt es in Bonn nach wie vor gar nicht.
Es bleibt also viel zu tun!
Breite politische Zustimmung zu 10 Velorouten
Uns hat gefreut, dass im Wahlkampf von Parteien aller Richtungen unser gemeinsam mit dem ADFC erarbeiteter Vorschlag 10 Velorouten für Bonn positiv aufgenommen wurde. Mit diesem Vorschlag haben wir eine Umsetzungspriorisierung für das bereits vor fast zwei Jahren beschlossene Zielradroutennetz vorgelegt. Denn es braucht konkrete Maßnahmen, damit ein Zielnetz auch irgendwann Realität wird.
Die breite Zustimmung zu diesem Vorschlag über politische Lager hinweg kann aus unserer Sicht eine gute Grundlage für eine parteiübergreifende Haltung zum weiteren Ausbau der Bonner Radinfrastruktur sein. Natürlich muss gute Radinfrastruktur nicht nur auf den 10 Velorouten entstehen. Eine aktive Planung und Umsetzung dieser 10 Velorouten in der neuen Wahlperiode würde aber einen großen Schritt in Richtung eines zusammenhängenden, durchgehenden und sicheren Radnetzes für Bonn bedeuten. Wir freuen uns auf den Austausch mit den Parteien zu diesem Vorschlag!
Auch die angedachte vierte Rheinbrücke zwischen Zweiter Fährgasse und Ringstraße fand über viele Parteien hinweg Zustimmung. Dass der Umbau des nicht mehr zeitgemäßgen ZOB inklusive Schaffung einer dringend benötigten Fahrradgarage ebenso möglichst bald kommen muss wie der Umbau der Viktoriaunterführung, steht hoffentlich außer Frage.
Weiter konstruktiv Verkehrspolitik in Bonn gestalten
Das Wahlprogramm der CDU und Herrn Déus Positionen im Wahlkampf rufen bei uns natürlich große Sorgen hervor. Auch wenn unser künftiger OB im Interview mit dem Generalanzeiger davon spricht, keine „Brechstangen-Politik für Autofahrer“ machen zu wollen, so stellt sich mit Blick auf das Wahlprogramm schon die Frage, was die dort formulierten Vorschläge denn anderes sein sollen. Letzten Endes wird dort der Rückbau der meisten in den letzten Jahren erreichten Verbesserungen für den Radverkehr (z.B. Oxfordstraße, Adenauerallee, Viktoriabrücke) verbunden mit weiteren Einschränkungen (z.B. Friedrichstraße, Streichung Finanzmittel für Radverkehrsplanung) angekündigt – und das bei weiter zunehmendem Radverkehr in der Stadt.
Insbesondere die angekündigte vollständige Streichung der in Folge des Radentscheids entstandenen vier Radverkehrsplanungsstellen erfüllt uns mit Sorge. Wer soll noch für bessere Radinfrastruktur in unserer Stadt sorgen wenn die Planerstellen dafür gestrichen werden? Es wird nicht reichen, bei sowieso anstehenden Baumaßnahmen den Radverkehr irgendwie mitzudenken. Es braucht aktiven Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur durch spezialisierte Radverkehrsplaner.
Wir hoffen, dass sich nach dem sehr polarisierten Wahlkampf diese Töne nun etwas legen und in Bonn weiterhin alle Verkehrsträger in den Blick genommen werden. Wir wünschen Herrn Déus eine glückliche Hand in seinem neuen Amt und freuen uns auf einen weiterhin konstruktiven Austausch mit Politik und Verwaltung.
28.000 Menschen haben vor fünf Jahren für eine bessere Radinfrastruktur in unserer Stadt unterschrieben. Diese Zahl sollte auch für die neue Stadtspitze und eine neue Koalition eine wichtige Leitplanke sein.