Mobilität

Wohin mit den Autos?

Ob es um neue Fahrradstraßen, freie Fußwege oder Busbeschleunigung geht, alles scheint darauf hinauszulaufen, dass mehr oder weniger Autoparkplätze wegfallen müssen. Aber wo soll das hinführen? Wo sollen all die Autos geparkt werden? Quartiersparkhäuser müssen her. Die Stadt muss Alternativen zur Verfügung stellen. So sind die Forderungen aus Bürgerschaft und Parteien. Und das scheint alternativlos zu sein. Ist es das?

Bisher ist die Zahl der Autos in Bonn immer weiter gewachsen. Wahrscheinlich. Denn genau kann man es nicht sagen. Bei der Anzahl von Ein- und Auspendlern, Firmenwagen sowie Miet- und Leasingfahrzeugen gibt es keine zuverlässige Datenbasis. Die Zulassungszahlen scheinen zuletzt zu stagnieren. Aber wie viele der Autos in Bonn, sind auch hier zugelassen? Fakt ist, je größer man den Zeitraum in die Vergangenheit wählt, desto klarer ist, dass es mehr und größere Fahrzeuge geworden sind. Und wo bitte sollen wir die bei unserem begrenzten städtischen Raum alle abstellen?

Die Frage so im Plural gestellt, ist so vielleicht nicht relevant. Im Kern geht es doch für jeden einzelnen darum, wo sie*er ihr*sein persönliches Auto abstellen kann. Und das bitte nah vor der eigenen Haustüre, denn schließlich sind Sachen zu transportieren und das Auto soll jederzeit bequem zur Verfügung stehen. Die Diskussion geht also bei weitem nicht um ein von der Allgemeinheit zu lösendes, gesellschaftliches Problem, sondern um die Summe unglaublich vieler Einzelprobleme.

Denn: Es gibt in Bonn genug Parkplätze. Wenn jemand das Gegenteil behauptet, diskutiert er abseits der Fakten. Wir haben genug Garagen, Parkplätze, Parkhäuser und Parkstände in den Straßen und auf Privatgelände. Wenn man das über die gesamte Stadtfläche addiert, kommen wir wahrscheinlich auf einen deutlichen Überhang an Parkraum. Wir müssen ihn nur richtig erschließen. Manche Parkflächen werden nur zu bestimmten Tageszeiten genutzt, andere stehen leer, weil sie viel unbequemer zu nutzen sind, als der Platz auf der Straße und wieder anderen sind Lagerraum für viele andere Dingen geworden. Und je weiter man Richtung Stadtrand fährt, desto mehr Raum ist frei. Wir haben den Parkraum einfach an der falschen Stelle oder nutzen ihn nicht richtig. 

Aber was hilft mir das, wenn ich dort wohne, wo es eng ist und wo jetzt sogar die Parkplätze noch reduziert werden sollen. Und dabei bin ich noch gar nicht maximal betroffen, sondern das sind die Menschen, die auf das Auto angewiesen sind, weil sie früh zur Schicht müssen, körperbehindert oder alt sind. Und die Menschen, die in unseren Viertel arbeiten, handwerken, pflegen und liefern. Wo sollen sie parken, wenn die Parkplätze reduziert werden.

Dieser Punkt ist mit einer der kritischsten. Denn ohne zu zögern wird jeder Versuch, Parkraum zu reduzieren mit dem Anspruch dieser Bevölkerungsgruppen konfrontiert. Wenn einige Parkplätze gestrichen werden, dann scheinen es meist die von Behinderten oder Pflegekräften zu sein. Dabei müssten sich die Autobesitzer fragen lassen, wie sie untereinander für mehr Gerechtigkeit sorgen können. Darf denn jeder alles auf der Straße abstellen und dann andere dafür in Verantwortung ziehen, dass Bedürftige Probleme bekommen? Vielleicht wäre zu diskutieren, ob der Zweit- und Drittwagen auch noch gemeinschaftlichen Parkraum beanspruchen darf. Was ist mit den Wohnmobilen, Freizeitfahrzeugen, Pick-ups und Firmentransportern? Was ist mit den Autos, die aus der Garage rausgewachsen sind? Ist es richtig, dass alle wohnungsnahes (Frei-)Parken beanspruchen dürfen? Zu Lasten der Menschen, die wirklich auf das Auto in der Nähe angewiesen sind? Vielleicht muss mal diskutiert werden, wer hier wen wirklich verdrängt und behindert. Und wie man unter Autobesitzenden Ausgleich und Rücksichtnahme schaffen kann, anstatt die Allgemeinheit mit dem Ruf nach immer mehr Parkraum in die Pflicht zu nehmen.

Parken Wohnmobil Bonn

Das Auto ist respektlos geworden. Und ja, ich spreche bewusst nicht von den Autofahrenden sondern von dem Auto als Masse und als System. Die Autofahrenden passen sich diesem System an und bilden es gleichzeitig. Das System Auto breitet sich aus und verdrängt auf Grund seines Platzbedarfs andere: Fußgänger*innen, spielende Kinder, Radfahrer*innen und Menschen, die sich begegnen wollen. Es dringt immer tiefer in deren Räume ein. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Autos in unseren Straßen sind regelwidrig geparkt. Oftmals auf den Gehwegen, aber auch in Grünflächen und auf Plätzen. Immer auch mal so, dass nur noch ein einzelner Fußgänger daran vorbeikommt, aber kein Rollstuhl oder Kinderwagen. Manchmal ist es auch für den Bus, den Rettungswagen und die Feuerwehr zu eng. Ein großer Teil der Autofahrenden fährt mit zwei Rädern auf den Gehweg, wenn sie nur mal kurz anhalten wollen. Auch wenn die Straße breit genug ist. Man will den Autoverkehr nicht behindern. Und dringt regelwidrig in Räume ein, die wir dem Auto nie zugedacht haben. So verleiden es uns die Autos, in unseren Straßen spazieren zu gehen, denn oft ist es gar nicht möglich, längere Strecken nebeneinander zu laufen und sich zu unterhalten. Ein Begegnungsraum ist verloren gegangen.

Was ist die Lösung? Ich spüre einen breiten Konsens dafür, dass wir die Abhängigkeit vom eigenen Auto verringern wollen. Nicht jeder hat einen Firmenwagen, der alle drei Jahre ausgetauscht wird. Für viele ist das Auto eine Gewohnheit oder auch ein notwendiges Übel, das Geld braucht und immer wieder in die Werkstatt muss. Wir brauchen gute Alternativen, damit wir nicht immer Auto fahren müssen. ÖPNV, Fahrradwege, verfügbare Sharingsysteme, Stadtviertel mit kurzen Wegen. Wenn wir es nur schaffen würden, dass die Autos häufiger und von verschiedenen Personen genutzt werden, würden etliche der 23 Stunden geparkten Autos entbehrlich. 

Wenn Veränderung, dann aber bitte sozial verträglich. Auch das höre ich immer wieder. Wie sozial ist denn das System Auto? Wie viel Rücksichtnahme (siehe oben) und soziale Umverteilung findet hier statt? Oder werden nur wieder die Falschen angeführt, um von den wirklichen Interessen abzulenken? Wenn wir es schaffen, die Abhängigkeit vom Auto zu reduzieren, schaffen wir Möglichkeiten für alle. Davon bin ich überzeugt. 

Es wird nicht ohne Umverteilung des Raums gehen. Das Auto hat sich in unseren Städten breit gemacht, weil wir ihm diese Wichtigkeit und den Vorrang gegeben haben. Das können wir so nicht weitermachen, denn der Raum wird spürbar knapp. Also müssen wir über Veränderungen diskutieren, Möglichkeiten schaffen und Gestaltungsräume zurückgewinnen. Die Alternativen werden allen, auch den Autofahrenden, zugutekommen. Wenn es weniger Fahrten mit dem Auto gibt, gibt es auch weniger Staus. Keiner will das Autofahren generell verbieten. Es geht darum, wieder auf dem Boden der Tatsachen zu diskutieren und zu sehen, wie wir unsere Stadt positiv und menschenfreundlich weiterentwickeln können. Wir sind überzeugt, dass es dafür Wert ist, auf einige Parkplätze in unseren Straßen zu verzichten.

geschrieben von Steffen

4 Kommentare

  • Fangen wir am besten mit an stadtentwicklungspolitischen Zielen ausgerichteter Parkraumbewirtschaftung unter Berücksichtigung sozialer Abhängigkeiten an und setzen dann strikte Park-Bußgelder für Verstöße um.

    Denn ich denke auf mehr Flexibilität bei den Regeln der Stellplatzpflicht, zu dynamischen Parkgebühren und digitaler Parkraumüberwachung müssen wir noch etwas warten und dafür laut bleiben – und dazu wünsche ich mir dann am besten noch attraktive Parkvorberechtigungen für Carsharing, aktive Mobilität und Minimobilität.

    Aber auch Quartiersgaragen, die beispielsweise Supermarktparkplätze in attraktiven Lagen besser nutzen können wir bereits jetzt umsetzen, um uns allen das Leben einfacher zu machen. Und wenn dort dann nicht nur Anwohnerparken, sondern auch mehr Leben einziehen würde, könnten wir nicht nur verträglicheren Parkraum sondern auch noch attraktiven öffentlichen Raum dazu gewinnen, an dem wir uns begegnen können.

  • Rolf Ribbert sagt:

    Ja, wir brauchen einen Paradigmenwechsel, weg vom Auto, drastische Reduzierung der Autos, also nicht nur weniger, sondern auch kleinere Autos. Wir brauchen wieder mehr Respekt und weniger Respektlosigkeit.

  • Thomas Eß sagt:

    Sofort umsetzbar dürfte die Einführung des gebührenpflichtigen Anwohnerparkens in der gesamten Stadt sein, gerne nach Größenklassen gestaffelt. Das müsste dringend mit dem Ausbau von Carsharing-Angeboten einhergehen, um Alternativen zum eigenem PKW zu schaffen.

    Seit Jahrzehnten hat sich in Japan der Parkplatznachweis bei Neuzulassung von Fahrzeugen als sehr zielführendes Mittel bewährt. So etwas dürfte auch mal in Deutschland ins Gespräch gebracht werden.

  • Barbara sagt:

    Danke für den respektvollen Artikel.
    Ich frage mich immer wieder: könnte man statt offiziellem carsharing (mit neuen Fahrzeugen) nicht die vorhandenen Autos teilen und das private carsharing fördern?

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