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Klimaplan für Bonn – Was bedeutet das für die Bürger*innen?

Bonn wird klimaneutral! Gerade hat der Rat der Stadt Bonn den Klimaplan verabschiedet. Verkehr und Mobilität spielen darin eine große Rolle. Was bedeutet das für die Bürger*innen in Bonn?

Bonn wird klimaneutral! Als Radentscheid setzen wir uns nicht nur füreine lebenswerte und kinderfreundliche Stadt ein, sondern wollen auch die schädlichen Klimawirkungen des Verkehrs begrenzen. Daher hat die Nachricht über die Verabschiedung des Klimaplans für Bonn große Freude bei allen Aktiven im Radentscheid ausgelöst.

Am 23. März 2023 hat der Rat der Stadt Bonn den von Oberbürgermeisterin Katja Dörner vorgelegten Klimaplan verabschiedet. Der Klimaplan beinhaltet eine Strategie und einen Umsetzungsplan für eine klimaneutrale Stadt Bonn bis zum Jahr 2035, unter Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels. Für uns ist natürlich besonders interessant, welche Rolle der Verkehrsbereich spielt, und was bedeutet der Klimaplan für die Bürgerinnen und Bürger in Bonn?

Ein Beschluss aus dem Jahr 2019

Die Entscheidung, Bonn zu einer klimaneutralen Stadt zu machen, ist nicht ganz neu. Schon im Jahr 2019 entschied der Rat, damals noch unter Oberbürgermeister Sridharan, Bonn bis spätestens 2035 klimaneutral zu gestalten. Der damalige Beschluss war noch recht schwammig formuliert und wurde seitdem konkretisiert. Die Stadt beauftrage ein Gutachten um das CO2-Budget für Bonn und einen Paris-konformen Zielpfad zu entwickeln, sowie ein Arbeitsprogramm für die Umsetzung. Damit wurde das Ziel Klimaneutralität konkretisiert und auf die verschiedenen Handlungsfelder heruntergebrochen.

Reduktion um mehr als 90 Prozent

Die gute Nachricht ist, dass ein klimaneutrales Bonn bis 2035 noch erreichbar ist, es ist also noch nicht zu spät. Allerdings sind erhebliche Anstrengungen erforderlich, und alle Akteure der Stadtgesellschaft werden dazu beitragen müssen: Bürger*innen, Unternehmen, die Stadtverwaltung und städtische Einrichtungen. Eine Zahl macht besonders deutlich, wie tiefgreifend die Transformation sein muss. Bis zum Jahr 2035 müssen 93% der Treibhausgasemissionen des Jahres 2020 reduziert werden. 93 Prozent! Die restlichen, unvermeidbaren Emissionen müssen durch natürliche CO2-Senken wie Wälder auf Bonner Stadtgebiet, oder auch technische Lösungen, kompensiert werden. Damit ist klar, dass das Tempo der Reduktion massiv beschleunigt werden muss. In den letzten 30 Jahren, seit 1990, sind die Emissionen in Bonn nur um 27% gesunken. Jetzt sollen in nur 12 Jahren mehr als 90% reduziert werden – eine riesige Herausforderung.

Mobilität: zweitgrößtes Reduktionspotenzial

Der Klimaplan identifiziert sechs Handlungsbereiche, in denen Treibhausgase zukünftig reduziert werden sollen. Nach dem Gebäudebereich mit einem Reduktionsbeitrag von 34% hat der Mobilitätsbereich einen Anteil von 30% an der erforderlichen Gesamtreduktion der Treibhausgase (Abbildung 1). Mobilität und Verkehr in Bonn sind damit ein sehr wichtiger Teil der Strategie zum Erreichen der Klimaneutralität.

Abbildung 1

Schauen wir uns doch mal genauer an, was der Klimaplan im Bereich Mobilität vorsieht. Erfreulich: neben gezielten Maßnahmen zur Förderung von umweltfreundlichen Verkehrsarten sieht der Klimaplan zielgruppenspezifische Maßnahmen und Anpassungen in der Raumplanung vor.

Mehr Wege mit dem Rad

Der Anteil des Radverkehrs in Bonn beträgt 15%, und im Klimaplan wird festgestellt, dass die Zufriedenheit mit der Radinfrastruktur in Bonn zu wünschen übrig lässt. Der Klimaplan zielt darauf ab, die Anzahl der Wege mit dem Fahrrad deutlich zu steigern und sowohl Quantität als auch Qualität der Radinfrastruktur deutlich zu verbessern. Damit das geschehen kann, sind umfassen Maßnahmen erforderlich. Explizit nennt der Klimaplan die Annahme des Radentscheids durch den Stadtrat im Jahr 2021. Für den Radverkehr ist eine Vielzahl von Maßnahmen vorgesehen:

  1. Ein sicher und komfortabel zu nutzendes Radwegenetz: dieses soll für alle Bonner*innen jeden Alters zu nutzen sein. Ein Hauptroutennetz inklusive Radpendlerrouten, die gegenüber dem motorisierten Verkehr Vorrang haben, soll bis 2025 eingerichtet werden.
  2. Umverteilung des Straßenraums: die Qualität der Radinfrastruktur soll verbessert werden, indem Fahrradstraßen eingerichtet werden und Radwege eine Mindestbreite von 2m pro Richtung bekommen, wo möglich als baulich getrennte Führung. Dazu soll „bei Bedarf“ der Straßenraum umverteilt werden.
  3. Pop-up-Radwege sollen als kurzfristige Maßnahme eingesetzt werden, wenn eine aufwändigere bauliche Umgestaltung erst langfristig erfolgen kann.
  4. Ausbau in Problemlagen: wo besondere Probleme für den Radverkehr bestehen, z.B. in Innenstadtbereichen mit hohem Verkehrsaufkommen oder in Gebieten mit fehlenden Radwegen, sollen Radwege gebaut und qualitativ verbessert werden.
  5. Grüne Welle: Um schnelle Verbindungen im Stadtgebiet zu ermöglichen, sollen Radwege kreuzungsfrei oder mit grüner Welle an Ampelkreuzungen geführt werden.
  6. Radwege nutzbar halten: damit greift die Stadt unsere Forderung nach ganzjähriger Nutzbarkeit der Radinfrastruktur auf, dass Radwege freigehalten werden von Bewuchs, Schnee oder Mülltonnen.
  7. Wegweisung verbessern
  8. Verknüpfung mit ÖPNV verbessern: durch mehr und komfortablere Radabstellanlagen an Haltestellen des ÖPNV soll die Verbindung von Rad mit Bussen und Bahnen erleichtert werden. Diebstahlsichere und witterungsgeschützte Anlagen sollen eingerichtet werden.
  9. Werbung für den Radverkehr: eine durchgängige Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnen sollen die Bürger*innen besser informieren und auf die Qualität des Angebots hinweisen.

In der Haushaltsplanung wird das Budget für den Radverkehr auf Kopenhagener Niveau angehoben. Zukünftig sind 35€ pro Kopf für den Radverkehr vorgesehen.

Freie Gehwege in Bonn

Die Bonner*innen gehen bereits relativ viel zu Fuß: 27-28% beträgt der Anteil des Fußverkehrs am Modal Split, der etwas über dem Durchschnitt anderer Städte mit vergleichbarer Größe. Dennoch gibt es noch Potenzial, den Anteil weiter zu steigern. Dafür sind folgende Maßnahmen geplant:

  1. (Halbseitiges) Gehwegparken sollte dort entfallen, wo die Restgehwegbreite das Mindestmaß von 1,50 m unterschreitet. Die Gehwege sollen grundsätzlich 2,50m breit sein – wie im Radentscheid gefordert.
  2. Niveaugleiche Führungen und Absenkungen von Bordsteinkanten
  3. Konsequentes Abschleppen von Falschparkenden und Ahnung von Parkverstößen auf Gehwegen
  4. Ausweisen von Abstellflächen für Fahrräder und Roller abseits der Gehwege
  5. Verbesserte Ampelschaltungen und Verlängerung der Grünphasen für den Fußverkehr
  6. ÖPNV-Haltestellen sollen besser fußläufig erreicht werden können
  7. Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum durch Begrünung, Sitzgelegenheiten, Kunstobjekte verbessern

Mehr und besserer ÖPNV

Ein besseres Angebot im ÖPNV wird oft als Voraussetzung für den Verzicht auf das Auto dargestellt. Diese Ausrede wird in einigen Jahren nicht mehr zählen, denn ein Ausbau des Netzes, eine Taktverdichtung und eine insgesamt bessere Qualität im ÖPNV sind fester Bestandteil des Klimaplans. Die bereits geplanten Vorhaben wie die rechtsrheinische Stadtbahn, die Westbahn, die Stadtbahnverlängerung nach Buschdorf, der zweigleisiger Ausbau der Linie 18, die Umsetzung des Stadtbahnkonzeptes 2023 und die Einrichtung von regionalen Schnellbusangeboten sollen umgesetzt werden, auch die Seilbahn auf den Venusberg wird genannt. Alle Bonner Haushalte sollen eine Haltestelle im Umkreis von 300 Metern vorfinden. So soll der Anteil des ÖPNVs im Modal Split von 17% auf 25% erreicht werden.

Bonn als 15-Minuten-Stadt

Obwohl der Begriff der 15-Minuten-Stadt nur beispielhaft erwähnt wird, ist wohl genau das gemeint, wenn der Klimaplan etwas umständlich von verkehrssparenden Siedlungsstrukturen spricht. Raum- und Siedlungsplanung soll dem Leitbild der kurzen Wege in funktionsgemischten Quartieren entsprechen, in denen Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Schule und Freizeitaktivitäten auf kurzen Wegen verbunden werden können. Explizit eingeschlossen werden Gewerbe und Industriegebiete. Es sollen Stadtteilzentren gestärkt und Alternativen zum Auto gefördert werden. Doppelter Vorteil einer Stadt der kurzen Wege: weniger Emissionen, mehr Aufenthaltsqualität. Die bereits geplanten Bönn’schen Viertel könnten zu weitgehend autofreien Superblocks ausgeweitet werden, die sich am Modell aus Barcelona orientierten. In diese dürfen nur Anwohnende und andere Berechtigte wie Entsorger, Liefer- und Pflegedienste oder Handwerker mit dem Auto einfahren, der Durchgangsverkehr wird herausgehalten. Eine wunderbare Vision, die leider im Klimaplan nur als mögliche Ausweitung der Bönn’schen Viertel beschrieben ist und eine positive Evaluierung letzterer voraussetzt. Insgesamt werden verkehrssparende Siedlungsstrukturen langfristig einen großen positiven Einfluss auf die Strukturen und die Lebensqualität der Stadt haben.

Zielgruppenspezifische Maßnahmen

Ohne Auto zur Schule oder Kita

Ein leidiges Thema sind Elterntaxis morgens und nachmittags vor Schulen und Kitas, die nicht nur Emissionen verursachen, sondern auch die Sicherheit für die Kinder und Jugendlichen beeinträchtigen. Eine kinderfreundliche Mobilität und Verkehrsplanung ist seit Gründung des Radentscheids eine unserer Kernforderungen. Wir freuen uns deswegen sehr darüber, dass dieser Punkt im Klimaplan aufgegriffen wird. „Ein Mobilitätsmanagement für Kitas und Schulen soll zum einen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass elterliche Hol- und Bringdienste reduziert werden oder nicht motorisiert erfolgen.“ Dazu sollen Mobilitätsmanager*innen geschaffen werden, die sich zum einen mit den Schul- und Kitawegen, zum anderen mit dem Verkehrsmanagement bei Veranstaltungen befassen. Schulen und Bildungseinrichtungen sollen beraten und bei der Umsetzung von Maßnahmen begleitet werden, die es Schüler*innen ermöglichen, mit dem Rad, zu Fuß oder im ÖPNV zur Schule zu kommen, bzw. den Eltern, ihre jüngeren Kinder zu bringen.

Mobilitätskonzept für städtische Beschäftige

Für die Beschäftigten der Stadt und städtischer Einrichtungen soll ein integriertes Konzept entwickelt werden, das Fahrten zur Arbeit mit dem Pkw unattraktiver macht, indem Stellplätze reduziert und kostenpflichtig gemacht werden. Gleichzeitig sollen umweltfreundliche Verkehrsarten attraktiver gemacht werden, indem das Jobticket zum Preis von 1 € pro Tag angeboten und die Zahl der Fahrradabstellplätze inkl. Umkleiden und Duschen erhöht wird. Bei konsequenter Umsetzung besteht die Hoffnung, dass die Stadtverwaltung damit Standards setzt, denen sich andere Unternehmen aus Bonn anschließen. Außerdem werden neue Pkw im städtischen Fuhrpark nur noch elektrische Antriebe haben, bei Nutzfahrzeugen soll „bedarfsgerecht“ der Einsatz von Lastenrädern geprüft werden. Verbrennerdienstwagen werden also bald der Vergangenheit angehören, und es werden städtische Lastenräder durch Bonn rollen. Wir sind daher optimistisch, dass die Stadt, die Stadtwerke und alle stadteigenen Gesellschaften trotz laufender autozentrierter Projekte wie dem Mitarbeiter- und Betriebsparkhaus mit 368 Autostellplätzen und null Fahrradstellplätzen sich auch im Bereich Mobilitätsmanagment ihrer Verantwortung stellen.

Einschränkungen für den motorisierten Verkehr

Der Klimaplan spricht deutlich aus, dass die Zukunft der Mobilität in Bonn nicht beim Auto, nicht mal beim E-Auto, liegt, weil auch dieses zu viel Ressourcen und Stadtraum verbraucht. Laut Klimaplan werden die „Privilegien, die der Pkw gegenüber dem Umweltverbund in der Planung und der Nutzung immer noch genießt, umgehend abgebaut“. Autoverkehr soll in Bonn zukünftig weniger attraktiv werden, und Bürger*innen sollen zur Nutzung anderer Verkehrsmittel motiviert werden. Dazu sieht der Klimaplan vor, Straßenraum umzuverteilen, wie im Abschnitt zum Radverkehr beschrieben, Parkraumkonzepte einzuführen und die Anzahl oberirdischer Parkplätze zu reduzieren. Autofahrende müssen sich also darauf einstellen, dass für ihre motorisierten Fahrzeuge zukünftig weniger Platz im öffentlichen Raum bereit steht, und dass sie dafür kostengerecht zahlen müssen.

Unser Fazit

Die Ziele des Radentscheids sind im Wesentlichen im Klimaplan adressiert, mit Ausnahme von niveaugleichen und sicheren Einmündungen, die nur für den Fußverkehr thematisiert werden, aber für den Radverkehr zur Steigerung der Verkehrssicherheit ebenso erforderlich sind. Leider gibt es im Klimaplan keine Quantifizierung der Maßnahmen – also keine Vorgabe zur Anzahl der sicheren Kreuzungen, Kilometer an Radpendlerrouten oder baulich getrennten Radwegen. Dies hätte die Bindungswirkung des Klimaplans nochmals verstärkt. Dafür geht der Klimaplan im Bereich Radverkehr an anderen Stellen über den Radentscheid hinaus, beispielsweise bei einer grünen Welle für den Radverkehr an Ampeln.

Mit dem Klimaplan ist auch klar, dass es kein Zurück mehr gibt. Die Zukunft der Mobilität in Bonn liegt in der Verkehrswende. Mit jedem Ratsbeschluss, der diese Position stärkt, würde es für zukünftige Ratskoalitionen schwieriger, den Radentscheid zurückzunehmen oder andere Mobilitätsprojekte umzukehren.

Positiv ist ebenso, dass der Klimaplan für den Mobilitätsbereich eine umfassende Strategie vorsieht, wie Emissionen durch Verkehr reduziert werden können. Es wird deutlich, dass der motorisierte Verkehr in Bonn zukünftig eine viel kleinere Rolle spielen wird, während der Umweltverbund gestärkt und ausgebaut wird. Sehr deutlich spricht der Klimaplan aus, was in den bisher umgesetzten Verkehrsmaßnahmen in Bonn noch nicht immer eindeutig zu erkennen ist, dass nämlich der motorisierte Verkehr eingeschränkt und unattraktiver gemacht werden soll. Das Signal an die Bonner*innen ist klar: steigt um! Die notwendige Verhaltensänderung wird noch schwieriger zu erreichen sein als die Änderungen der Verkehrsplanung oder der Ausbau der Radwege. Widerstände gegen die Veränderung jahrzehntelange Gewohnheiten sind allerdings zu erwarten, umd zeigen sich bereits jetzt. Hier sollte die Stadt mit einer umfassenden Kommunikationsstrategie ansetzen und versuchen, möglichst viele Bürger*innen für die Unterstützung der Transformation zu gewinnen.

Geschrieben von Sonja

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